: Hessische Frauenbehörde wird offensiv
■ Mit einer landesweiten Informationskampagne will die bislang eher zurückhaltende Frauenbehörde offensiv zum Abbau der Gewalt gegen Frauen beitragen / Ein Bericht von Maria Neef–Uthoff
Unberührt vom rot–grünen Koalitionsknatsch in Wiesbaden startet die SPD–Ministerin Vera Rüdiger heute zusammen mit ihrer Staatssekretärin Marita Haibach (Grüne) eine hessenweite Kampagne gegen die „Gewalt gegen Frauen“. Damit bringt sich eine Behörde in Erinnerung, die seit Etablierung der Koalition immer im Schatten des Umweltministeriums stand und deshalb häufig herbe Kritik einstecken mußte. Daß die Vorwürfe zumindest zum Teil danebengehen, zeigt die Bilanz ihrer bisherigen Arb
Seit heute kleben überall in Hessen Plakate. In kaltem Blau sieht man die verzerrten Schatten einer Frau und ihres Angreifers. Gerade eben noch zu erkennen als eine lebensbedrohliche Situation. Links oben in der Ecke eins der bekannten Vorurteile. „Sie hätte ja nicht mit mir gehen müssen.“ Darauf etwas schulmeisterlich unter dem Bild die Antwort: Frauen brauchen sich das nicht bieten zu lassen, sie haben das Recht, wieder wegzugehen. Und dann noch, groß und mächtig, der Slogan quer über das Plakat: „Liebe geht nicht mit Gewalt. Die Frauen.“ Mit dieser Aktion leitet die hessische Frauenbehörde eine Kampagne zu ihrem Schwerpunktthema Gewalt gegen Frauen ein. Vom 3. Februar bis zum 2. März wird in zwei Dekaden in 48 hessischen Städten und Gemeinden eine Plakatserie mit drei Motiven zu sehen sein. Liebe geht nicht mit Gewalt An Litfaßsäulen, in Ämtern, auf Polizeidienststellen und in U– Bahn–Stationen. Ein Faltblatt, das an allen öffentlichen Orten ausliegt, informiert über Rechtsfragen und Beratung. Eine Dokumentation einer interdisziplinären Fachtagung zum Thema Gewalt gegen Frauen, bei der auf Initiative der Frauenbehörde erstmals Staatsanwälte, Polizisten und Vertreterinnen autonomer Frauenprojekte an einem Tisch saßen, wurde gestern an die Presse verteilt. Im Anschluß an diese Tagung hat sich eine ständig arbeitende Gruppe gebildet, von der Behörde initiiert, aus den offiziellen und inoffiziellen Bereichen, wie z.B. Polizei einerseits und Notruf andererseits. Hier sollen Maßnahmen erarbeitet werden. Vor allem präventiver Art. Als zweites wichtiges Ergebnis der Fachtagung wertete die Frauenbehörde eine Fortbildungswoche für Richter/innen und Staatsanwälte/ innen, die zusammen mit zahlreichen feministischen Referentinnen stattfand. Die Plakataktion will den Frauen helfen, sie will aber auch die Männer erziehen. Die sollen auf der Gefühlsebene angesprochen werden. Es gelte, einen Prozeß des Umdenkens zu initiieren, der sowohl die Medien als auch „breite Bevölkerungsschichten“ erfassen soll. „Schonungsloses Offenlegen der Realität“ forderte gestern Vera Rüdiger (SPD), „Bevollmächtigte der Hessischen Landesregierung für Frauenangelegenheiten“, auf der Pressekonferenz zum Beginn der Kampagne. Ihre Staatssekretärin Marita Haibach wies darauf hin, daß mit der Kampagne die Arbeit autonomer Frauenhäuser und Notrufgruppen aufgenommen werde. Im März ist im Zusammenhang mit der Kampagne eine Anhörung mit der Kripo geplant. Das Pilotprojekt Mädchenhaus ist in die Wege geleitet, ein anderes Modellprojekt für türkische Mädchen in Kassel wird unterstützt. Diskutiert wird in Hessen zur Zeit auch, ob man ein Sonderdezernat bei der Staatsanwaltschaft für Vergewaltigungsopfer einrichtet oder nicht. Das nächste Treffen der kommunalen Frauenbeauftragten hat das Schwerpunktthema Gewalt gegen Frauen unter dem Aspekt der Volkszählung. Und zum Abschluß der Aktionen wird in Wiesbaden die Berliner „Rote Grütze“ ein Theaterstück zum Thema zeigen. Dann ist das Geld alle. Alles wie geplant Die Frauenbehörde ist nach wie vor eine Mini–Bürokratie. Ihre Arbeit gilt vielerorts als politisch erfolglos. Diejenigen, die schon immer gegen Institutionen waren, scheinen jetzt von dieser Institution zu erwarten, daß sie ihren eigenen Rahmen sprengt. Mißt man aber den Erfolg an den Aufgaben, die sich die Frauen vor gut einem Jahr gestellt hatten, so muß man feststellen, daß das meiste davon in die Tat umgesetzt wurde. Der ziemlich bescheidene Etat wurde für Hearings, (Gewalt gegen Frauen, Gen und Reproduktionstechnik, sexueller Mißbrauch von Mädchen), aber auch für Untersuchungen und Veröffentlichungen genutzt. Die kommunalen Frauenbüros sind wie geplant eingerichtet worden, und der heiß umstrittene Frauenförderplan für das Land Hessen liegt mit einigen schmerzenden Kompromissen den Personalräten zur Absegnung vor. Die Aufgaben der hessischen Frauenbehörde liegen mehr in der Vermittlung. Für Pressesprecherin Gisela Wülffing ist dies eine Institution, die die Gegensätze an einen Tisch bringt. Die aber auch andere Ministerien, wie z.B. das Justizministerium, bei der Gewaltfrage an Frauenthemen bindet. Am letzten Arbeitstag vor der Pressekonferenz ist die Behörde halbleer. Die meisten sind krank. Viele fühlen sich überanstrengt mit ihrem 50– bis 60–Stunden–Tag - Frauen haben niemanden zu Hause, der ihnen den Alltag regelt und erleichtert. Dennoch, wenn ich mir die Räume ansehe, würde ich es gut 50 Stunden die Woche aushalten. Kein Straßenlärm, der die Gedanken benebelt, der Blick nach draußen auf Villen und Bäume. Die Zimmer hell, klar und weiblich. Weiße bis beige Büromöbel, Glasflächen auf Schreibtisch und Beitisch. Hier ein paar Strohblumen, dort ein liegengelassenes Yogabuch, überall Pflanzen. Auch das ist ein Frauenansatz, der sich den Normen der Männer widersetzt. Die Frage nach dem Koalitionsknatsch um die Plutonium–Fabrik ALKEM beantwortet die Pressesprecherin ausweichend. Staats sekretärin Haibach wird auch sonst nicht zu Rate gezogen, wozu solle sie hier plötzlich auf der Matte stehen. Auf der Pressekonferenz zur heutigen Kampagne bestätigte sich wieder der Eindruck der Schwäche. Auf der einen Seite Vera Rüdiger, die gestandene Ministerin, auf der anderen Seite Marita Haibach, die zaghafte Grüne, die nette Frau von nebenan. Kein Enfant terrible, eine mit zarten, zähen Schultern, der man die radikalen feministischen Sprüche nicht so recht glauben will. Aber auch eine, mit der man sich Teamarbeit vorstellen kann. Ein Grund dafür, warum ihre Mitarbeiterinnen gern mit ihr zusammenarbeiten? Für die Frauenpolitik wäre ein Besen besser. Eine Radikale, die sich traut, Utopien auszusprechen. Die jeden Tag einmal öffentlich sagt, daß sie das Patriarchat abschaffen will. Die Konflikte anzettelt und gestärkt daraus hervorgeht. Fit für die Männerwelt Auch wenn es zwischen der autonomen Frauenscene und der Behörde keine Glaubenskämpfe gibt, klagen die Frauen der Frankfurter Frauenschule doch über die fehlende gesellschaftsverändernde Phantasie. Das alltäglich Kleinklein verbaue den Blick auf die Ziele. Sie befürchten auch im Zusammenhang mit den Frauenförderplänen, daß hier haarscharf am Frauenansatz vorbeigegangen wird, daß Frauen nur für die Männerwelt fitgemacht werden. Die Konzentrierung, die durch die SPD entstehe (die Konzentration auf die Erwerbsarbeit) dürfe den Frauen aber nicht nur angelastet werden. Auch Brigitte Sellach, autonome Frau im Römer, hält die Schwierigkeiten der Behörde für ziemlich normal. Die Erwartungen seien irrational hoch. Schließlich wären Frauen früher überhaupt nicht in der Politik erschienen. Im kommenden Herbst wird in Hessen wieder gewählt. Dann steht vielleicht ein echtes Frauenministerium ins Haus. Als erste Anwärterin für den Ministerinnenposten gilt die Grüne Waltraut Schoppe.
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