Grüne Woche: Besuch aus Afrika

■ Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung bemüht sich um Dialog / Erdrückende Lage, aber dem bundesdeutschen Ministeriellen fallen nur Schlagworte ein

Aus Berlin Imma Harms

Schloß–Saal im Hotel Kempinski, Berlin. Sechs farbige Herren werden vor einem riesigen Wandgemälde des Schlosses Charlottenburg an der Stirnseite des Saals postiert und lächeln dem Fotografen zu. Dann verschwinden sie bis auf zwei, um im Nebensaal weiter zu speisen. Es sind Minister aus afrikanischen Staaten, die auf Einladung der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung (DSE) hier sind, um im Rahmen der Grünen Woche über die sich verschärfende Hunger– und Verschuldungssituation ihrer Länder zu diskutieren. Die Ernährungsminister aus Tansania und Senegal, Paul Bomani und Famara Ibrahim Sagna, stehen gemeinsam mit Vertretern der UNO und des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) der Presse zur Verfügung. Die überaus höfliche Form ihrer Antworten ist der noblen Veranstaltung geschuldet, mit der die bundesdeutschen Gastgeber sie zu umgarnen versuchen. Ihre Auskünfte lassen dennoch an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig. Nach der UNO–Sondersitzung vom Mai vergangenen Jahres, auf der ein Fünfjahresprogramm zur wirtschaftlichen Gesundung Afrikas beschlossen worden war, seien die afrikanischen Vertreter voller Optimismus gewesen, erklärt Minister Sagna. „Wir haben anschließend das unsere getan, um entsprechende Programme in unseren Ländern einzuleiten, und wir warten voller Geduld, daß auch die internationale Gemeinschaft ihren Beitrag zur Verwirk lichung des Plans leistet.“ Ausdrücklich lobt er die „ungeheuren Anstrengungen der Bundesrepublik“ ohne sie allerdings näher zu benennen. Das tut dafür Wolfgang Albert, Ministerialdirektor aus dem BMZ. „Hilfe zur Selbsthilfe“ heißt sein Universalrezept für die ländliche Entwicklung in den afrikanischen Ländern, denn „nur mit finanzieller Hilfe ist es nicht getan“. Sagna führt dagegen aus, daß die ländliche Entwicklung nur einer der kritischen Punkte ist. Die Verschuldung der Länder und die ständig fallenden Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt machen alle Anstrengungen der afrikanischen Länder in ihrer nationalen Wirtschaft zunichte. Der aus Kanada stammende Stephen Lewis, UN–Präsident auf der erwähnten Afrika–Sondersitzung, wird noch deutlicher. Sambia, das alle nur erdenklichen Anstrenungen unternehme, um seine Wirtschaft anzukurbeln und seinen Export auszuweiten, müsse 50 aufwenden, von einer Rückzahlung der Schulden ganz zu schweigen. Die Produktionsausweitung bei den landwirtschaftlichen Erzeugnissen nützt den afrikanischen Ländern gar nichts, solange die Weltmarktpreise für diese Produkte weiter fallen. „Die Erzeuger aus den Industrienationen treiben einen kostspieligen Konkurrenzkampf, der die Länder der Dritten Welt an einer eigenen Entwicklung hindert“, erklärt Henri Nallet, der Präsident des Welternährungsrates bei den Vereinten Nationen. Sagna illustriert das Problem: „Ein Kilogramm Erdnüsse, eines unserer Haupt–Ausfuhrprodukte, kaufen wir für 90 senegalesische Francs vom Erzeuger, können es aber nur für 50 Francs nach Übersee weiterverkaufen.“ Auch bei der Baumwolle sei der Weltmarktpreis durch den harten Konkurrenzdruck einer großen Industrienation um 50% gefallen. Paul Bomani schildert die Bemühungen seines Landes, den Handelsrahmen auch in andere Richtungen hin auszuweiten. „Wir erschließen uns neue Märkte in China und auch in der Sowjetunion.“ Darüber hinaus bemühe sich sein Land auch um die Intensivierung des sogenannten Süd– Süd–Handels der Dritte–Welt– Länder untereinander. Das könne aber notgedrungen nur einen Teil des Außenhandels ausmachen, da die afrikanischen Ländern nun mal Dollars brauchen, um Maschinen oder andere nur dort erhältliche Produkte kaufen zu können. Auch Albert vom BMZ begrüßt die Intensivierung des Süd–Süd– Handels. Auf die Frage allerdings, was denn die Bundesregierung zu seiner Förderung unternehme, antwortet er, daß man Projekte zur Handelsberatung durchführe, um den Export in die Bundesrepublik zu verbessern. Da hat er seinen Lapsus schon entdeckt und ergänzt entschuldigend, daß ja vor allem erst einmal der Süd–Süd–Dialog angekurbelt werden müsse, dazu solle unter anderem dieser Kongreß dienen. Doch an Gesprächsmöglichkeiten scheint es den afrikanischen Staaten nicht zu fehlen. Ihre Forderungen an die „internationale Gemeinschaft“, wie hier die Industrienationen bezeichnet werden, lauten, die Rohstoffpreise nicht noch weiter zu drücken und die Schuldenlast ihrer Länder zu erleichtern. Lewis hakt noch einmal nach: In den Industrieländern habe niemand einen Grund, selbstzufrieden auf die großen, bereits nach Afrika transferierten Summen zu verweisen. 60 Mrd. Dollar hätte die westliche Welt allein durch den gefallenen Ölpreis einsparen können. „Vielleicht setzen sich ein paar gute Journalisten einmal hin und rechnen den Zahlungstransfer zusammen. Sie werden herausfinden, daß keineswegs Geld nach Afrika geflossen ist, sondern daß es aus Afrika herausgeflossen ist.“ Hier führt sich Albert wieder gefordert. Es gehe um grundsätzliche Lösungen, eben Hilfe zur Selbsthilfe, wiederholt er gebetsmühlenartig. Nein, widerspricht Lewis, es müsse ein Durchbruch in der Schuldensituation erzielt werden. Nach der Veranstaltung stehen die Herren aus Afrika für Interview–Wünsche zur Verfügung. Paul Bomani wird von dem Kamera–Team vor ein von deutscher Kinderhand gemaltes Afrika–Plakat postiert, das ein karges, aber weites Land zeigt und das hilfreiche Hände an die riesigen Spiegelglas–Scheiben des Schloß–Saals geklebt haben. Wie hatte Bundespäsident Weizsäcker, der am Vormittag mit den Ministern zusammengetroffen war, so schön gesagt? „Bei meinen Besuchen in Afrika habe ich oft empfunden, daß wir die Lernenden und die Empfangenden sind.“ Daran dürfte sich so schnell wohl auch nichts ändern.