Fischer sieht Ende der rot–grünen Koalition

■ Hessens Umweltminister Fischer verlangt Revision von Stegers ALKEM–Beschluß / „Wenn SPD–Beschlußlage so bleibt, dann ist der Ofen aus“

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) - Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im hessischen Landtag, Jochen Vielhauer, und der grüne Minister für Umwelt und Energie, Joschka Fi scher, haben gestern in Wiesbaden gemeinsam das „nahe Ende der rot–grünen Koalition“ prophezeit. Für den Fall, daß die SPD–geführte Landesregierung den ALKEM–Brief des Hauses Steger an Bundesumweltminister Walter Wallmann (taz vom 6.2.) nicht „zurückziehen“ sollte, sei die „Mehrheit für diese Koalition nicht mehr gegeben“. Fischer: „Wenn die Beschlußlage so bleibt, wenn die SPD auf der auf zehn Jahre befristeten Genehmigung für den MOX–Brennelementebau bei der ALKEM beharrt, dann ist der Ofen aus.“ Über den genauen Zeitpunkt des vorab angekündigten Koalitionsbruchs konnten Fischer und Vielhauer allerdings keine genauen Angaben machen. Die Koalition sei dann „erledigt“, wenn die Landesregierung tatsächlich auf der Grundlage der von Steger angekündigten Genehmigung für ALKEM gegen eine erwartete Wallmann–Anweisung auf Genehmigung der 6,7 Tonnen Plutonium klagen sollte. Vielhauer: „Wir wollen in den merkwürdigen Streit, ob nun 460 Kilogramm, 6,7 Tonnen oder 2,5 Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Zur Diskussion um die rot–grüne Koalition unsere Debatte, in der Jochen Vielhauer noch für die Fortsetzung der Koalition plädiert Seite 9 Hymnus der Pest zu Ehren Bringt uns der mächtige Tyrann, Der Winter, seine Schar heran, Die zottigen Völker Schnee und Fröste Als starker Feldherr in das Land, Begrüßt ihn der Kamine knistern Und froher Feste Winterbrand. Die Pest, die strenge Königin, Führt ihren Heereszug dahin, Nach unseren reichen Ernten gierend, Am Fenster ohne auszuruhn Schlägt ihren Gräberspaten pochen... Wie ist zu helfen? was ist zu tun? Den Winter sperrtet ihr hinaus, Laßt auch die Pest nicht in das Haus! Brennt an die Feuer, füllt die Kelche, Ertränkt den Sinn in Tanz und Fest - Und rühmt in euren Preisgesängen Das große Herrscherreich der Pest! Es gibt den Glücksrausch in der Schlacht Und vor des Abgrunds steiler Nacht Und in des Ozeans Erdröhnen, in schwarzer Flut, in schwerstem West Und in Arabiens Wirbelstürmen Und in dem Atemhauch der Pest! Was immer uns Verderben droht, Senkt in die Herzen ein Gebot Der unerklärlichen Entzückung - Pfand der Unsterblichkeit, vielleicht! Und glücklich ist, wer im Gewoge All das erkannt und es erreicht. Wohlan, o Pest - Heil dir und Macht! Wir fürchten nicht des Grabes Nacht Noch deines Todes finstre Lose! Laßt sprühen die Kelche, hell und leicht, Und aus dem Hauch der Jungfrau - Rose Greift uns ans Herz die Pest vielleicht! Tonnen Plutonium genehmigt werden sollen, nicht hineingezogen werden. Wir werden selbst einer Genehmigung von nur einem Gramm Plutonium nicht zustimmen.“ Eine andere „denkbare“ Bruchvariante käme dann zum Zug, wenn die CDU im Landtag einen Mißtrauensantrag gegen Steger oder gar gegen Börner einbringen würde. Sollte die SPD im Vorfeld dieser Abstimmung dann ihre Position zu ALKEM nicht re vidieren, werde dieser CDU–Antrag im Landtag eine Mehrheit finden, meinte Vielhauer weiter. Die nächste Plenarrunde im hessischen Landtag findet Mitte Februar statt. Die Grünen begründeten ihre Haltung mit der internen gefallenen „Entscheidung für unsere Grundsätze und unsere Glaubwürdigkeit“. Die Zeit der „Formelkompromisse“, so Joschka Fischer, sei jetzt endgültig vorbei. Sollte die SPD–Führung tatsächlich auf stur schalten, hätten die Grünen keine Probleme damit, sich auch auf eine langandauernde Oppositionsperiode einzustellen. Ministerpräsident Holger Bör ner, so Fischer weiter, lade eine „schwere Verantwortung“ auf sich, denn bei einem Koalitionsbruch könnte Walter Wallmann dann tatsächlich als „lachender Dritter“ bei den Landtagswahlen im Herbst durchs Ziel gehen. Das Bundesumweltministerium hat am Freitag angekündigt, es werde Stegers Absicht, bei der Betriebserlaubnis für die Atomfabrik ALKEM die Verarbeitungsmenge von Plutonium auf 460 kg zu begrenzen, nicht akzeptieren. Mit der „Revisions–Gnadenfrist“ für die SPD–Führung wollen die Grünen den ALKEM– Konflikt auch in die sozialdemokratische Partei hineintragen. Morgen entscheidet die Landesversammlung der hessischen Grünen in Langgöns bei Gießen übe eine Fortsetzung der Koalition. Den Mitgliedern wird ein Antrag des sogenannten fundamentalistischen Flügels der Partei vorliegen, der den sofortigen Koalitionsbruch fordert. Der sogenannte „Realo–Antrag“, der auf den gestrigen Erklärungen von Fischer und Vielhauer basieren wird, lag bis Redaktionsschluß noch nicht vor. Auf alle Fälle wird es knapp werden für die „Realos“ und „Koalos“, die bisher in Hessen immer satte Mehrheiten für sich verbuchen konnten.