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USA verzögern SDI–Entscheidung

■ Vorhaltungen und erhebliche Unruhe unter westlichen Alliierten, massive Proteste im Kongreß lassen US–Regierung die geplante Beschleunigung des SDI–Programms hinauszögern

Washington (dpa) - Die US–Regierung will nach den massiven Protesten aus dem Kongreß und den Vorhaltungen von NATO– Partnern offenbar eine endgültige Entscheidung über SDI hinauszögern. Weitere Informationen sollen abgewartet werden, ehe Reagan darüber beschließt, ob er einer großzügigeren Interpretation des ABM–Vertrags über Raketenabwehr mit der Sowjetunion von 1972 folgt und damit den Weg für eine beschleunigte Entwicklung von SDI freigibt. Die Pläne der USA, die Vorbereitungen für SDI zu beschleunigen, hatten erhebliche Unruhe unter den westlichen Alliierten ausgelöst. Belgiens Außenminister Leo Tindemans sagte am Freitag in Washington, es sei wichtig, daß die USA und die Sowjetunion sich auf „dieselbe Interpretation“ der Möglichkeiten und Grenzen des Systems einigten. Bisher sei von einer Installierung des Systems offiziell niemals die Rede gewesen, sondern immer nur von Forschungsarbeiten. Der Belgier, derzeit Ratspräsident der Europäischen Gemeinschaft, erinnerte an vier europäische Grundpositionen zu SDI: Eine Begrenzung auf die Forschung, eine Forschung innerhalb des Rahmens des ABM–Vertrages von 1972 über die Raketenabwehr, ein Verzicht auf Streben nach militärischer Überlegenheit und keine Änderung der militärischen Strategie. Der Generalsekretär der NATO, Lord Carrington, hatte die US–Regierung in einem Schreiben aufgefordert, vor einer Entscheidung über eine frühzeitige Installierung der SDI–Raketenabwehr die Alliierten zu konsultieren. Der britische Botschafter Anthony Acland trug den Standpunkt Londons zum ABM–Vertrag und SDI–Projekt in einem Gespräch mit Außenminister George Shultz vor. Selbst Premierministerin Thatcher hat mehrfach für eine enge Auslegung des ABM– Vertrages plädiert. Wie bei den Alliierten formierte sich auch im US–Kongreß der Widerstand gegen die Pläne des Pentagons, das SDI–Programm auf einen Kurs zu steuern, auf dem es nur sehr schwer zu stoppen sein würde. Zu den Gegnern gehören der neue demokratische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Jim Wright, und der demokratische Fraktionschef Thomas Foley. In einem Brief an US– Präsident Ronald Reagan warnten sie, daß eine frühe SDI–Stationierung nicht „im nationalen Sicherheitsinteresse“ der USA liege und „die Aussichten (für ein Abrüstungsabkommen mit der Sowjetunion) zerstören“ könnte.

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