: Israelische Marine kapert Schiff
■ 50 unbewaffnete Palästinenser festgenommen / Amal nahm Beiruter Flüchtlingslager unter Panzerbeschuß Vier Palästinenser wurden beim Versuch, Lebensmittel nach Borj al Brajneh zu schaffen, erschossen
Tel Aviv/Beirut (taz/afp) - Die israelische Marine hat am Freitag das unter honduranischer Flagge fahrende Handelsschiff „Maria Arr“ von Zypern zu dem libanesischen Hafen Khalde aufgebracht und 50 unbewaffnete Palästinenser an Bord festgenommen. Dies gab Admiral Ben Shushan bekannt. Bei den Gefangenen handele es sich um Mitglieder der größten Palästinenserorganisation Al Fatah, die deren Kräfte im Libanon verstärken sollten. Ben Shushan wies eine Darstellung der PLO zurück, die Passagiere seien unschuldige Zivilisten, die medizinische Güter für die umzingelten Palästinenserlager in den Libanon bringen wollten. Wie er weiter mitteilte, hätten die festgenommenen Palästinenser falsche Pässe mit sich geführt. Die acht ägyptischen Besatzungsmitglieder des gekaperten libanesischen Schiffes sollen wieder freigelassen werden, falls es sich herausstelle, daß sie nicht Mit glieder von Al Fatah seien. Israel warf den zypriotischen Behörden vor zu dulden, daß der Hafen Larnaca als Ausgangsbasis für die Rückkehr von Palästinensern in den Libanon genutzt wird. Die israelische Marine–Aktion fällt mit einem Wiederaufflammen des Lagerkriegs im Libanon zusammen. Bereits in den letzten Monaten hatte die israelische Luftwaffe wiederholt der Schiitenbewegung Amal durch Angriffe auf Stellungen der Palästinenser unter die Arme gegriffen. Am Samstag nahm Amal nach Angaben der libanesischen Polizei die Lager Shatila und Borj al Brajneh unter Panzerbeschuß. Mindestens sechs Personen wurden getötet und 27 weitere verletzt. Am gleichen Tag wurden vier Palästinenser bei dem Versuch getötet, Nahrungsmittel in das von der Außenwelt abgeriegelte Beiruter Flüchtlingslager Borj al Brajneh zu bringen. Fortsetzung auf Seite 6 Nach Angaben von Augenzeugen versuchten sie, in einem mit Mehl beladenen Lastwagen eine Straßensperre der Amal–Miliz zu durchbrechen. Das Auto wurde in Brand geschossen, seine vier Insassen kamen dabei ums Leben. Borj al Brajneh wird seit dem 29. Oktober von der Schiiten–Miliz und Soldaten der libanesischen Armee belagert, die Lebensmittellieferungen verhindern. Die dort lebenden rund 20.000 Menschen, sind vom Hungertod bedroht. Die „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ gab ihrerseits in Algier bekannt, daß palästinensische Kämpfer in der Nacht zum Freitag Lebensmittel für zehn Tage in das ebenfalls umzingelte Lager Raschediyeh im Südlibanon gebracht hätten. Dieses Lager mit rund 17.000 Einwohnern wird seit dem 30. September belagert. Wie es hieß, seien Zucker, Reis, Gries, Kaffee und Konserven auf zwei Lastwagen nach Raschediyeh gebracht worden. PLO–Chef Arafat forderte am Freitag abend den sowjetischen Parteiführer Gorbatschow zum „dringenden Eingreifen“ auf, um die Angriffe auf die Bevölkerung in den libanesischen Palästinenserlagern zu beenden. In einem Schreiben, das von dem sowjetischen Botschafter in Bagdad übermittelt wurde, informierte Arafat Gorbatschow über die Massaker, die derzeit in den Lagern stattfinden. Die Amal–Miliz wird von Syrien unterstützt, das seinerseits über gute Beziehungen zur Sowjetunion verfügt. Ähnliche Botschaften richtete der PLO–Chef an den saudi–arabischen König Fahd und den kuwaitischen Emir Jaber Al Ahmad Al Sabah. In Berlin besetzte unterdessen am Freitag eine Gruppe von palästinensischen Arbeitern und Studenten symbolisch das Büro von „amnesty international“, um auf die katastrophale Situation in den umzingelten Lagern im Libanon aufmerksam zu machen. Sie forderten ai auf, die Weltöffentlichkeit besser über die Lebensbedingungen in den Lagern zu informieren, damit die eingekesselten Menschen gerettet werden können.
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