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Im Saarland brodelt ein Giftmüllskandal

■ Detaillierte Angaben eines Tanklastwagenfahrers über illegale Giftmülllagerungen in verschiedenen Orten des Saarlandes / Die Ermittlungen wurden fast ein halbes Jahr verschleppt / Zwei Staatsanwälte wurden abgelöst / Ein Umweltskandal „wie jeden Tag“?

Von Felix Kurz

Saarbrücken (taz) - Im Saarland bahnt sich möglicherweise ein neuer Giftmüllskandal an. Über 100 Tonnen hochgiftiger Substanzen sollen illegal an verschiedenen Orten in den letzten Jahren abgelagert worden sein. Das jedenfalls behauptet Hans–Jürgen Schopphoff, Tanklastwagenfahrer einer jener „Entsorgungs“– Firmen, die mit Dreck ihr Geschäft machen. Der Mann will im Auftrag seines früheren Arbeitgebers an zahlreichen Orten im Saarland den giftigen Müll ohne große Probleme und vorbei am Umweltrecht selbst weggekippt haben. Die Firma „Wax“ aus Saarlouis bestreitet die Vorwürfe. Im Herbst 1985 sollen nach den Angaben von Hans–Jürgen Schopphoff 18 Kubikmeter Kohleöle einer Kohlebehandlungsanlage am Haldenfuß der Grube Ensdorf oberhalb eines Wasserversorgungsbehälters für die Kohlewäsche abgekippt worden sein. 13 Kubikmeter Lackschlämme seien im November des Jahres in den Schlammweiher der Grube geschüttet worden. Schopphoff berichtet weiter von Salzsäure–Einleitungen im Absinkweiher der Grube Reden und von ameisen– säurehaltigen Stoffen, die einfach in die Kläranlage der Stadt Saarlouis eingeleitet worden seien und so wahrscheinlich in die Saar gelangt sind. In den meisten Fällen nahm der Fahrer die Ablagerungen selbst vor. Bereits im Juli vergangenen Jahres zeigte Schopphoff die illegale Giftmüllbeseitigung bei der Kripo an. Die nahm den Fall zu den Akten. Schopphoff ließ nicht locker. Er wandte sich im August 1986 an das Landesamt für Umweltschutz (LfU). Doch auch das dem Umweltministerium unterstellte LfU blieb untätig, nachdem man mit der Kripo telefoniert hatte. Von dort hatte man nämlich erklärt bekommen, man werde das LfU schon zu geeigneter Zeit um Mithilfe bitten. Die hielt man wohl erst am 8.12. für gekommen. Kripo, LfU, Schopphoff, Vertreter des Oberbergamtes und der Saarberg–Werke AG fanden sich zu einem Ortstermin bei der Grube Ensdorf ein. Den Experten war sofort klar, daß bereits vor ihnen an der entsprechenden Stelle jemand „etwas gedreht“ hatte. Doch das LfU und das Oberbergamt erklärten einvernehmlich, etwaige Pro ben solle der private Gutachter Dr. Maisch, der schon des öfteren für die Firma „Wax“ Expertisen angefertigt hatte, erstellen. Und bis jetzt gibt es kein Gutachten. Hätte der Tanklastwagenfahrer nicht vor kurzem der „Saarbrücker Zeitung“ seine Geschichte erzählt, niemand wüßte bis heute Bescheid. Betroffen sind diesmal gleich mehrere Ressorts der sozialdemokratischen Regierung von Oskar Lafontaine. Justizminister Arno Walter reagierte als erster und veranlaßte die Abberufung zweier Staatsanwälte, die statt sofort zu ermitteln, ebenfalls erst einmal nichts unternahmen. Umweltminister Jo Leinen war einmal mehr nicht über die brisante Anzeige informiert worden. Inzwischen gab es einen erneuten Ortstermin, und die Proben soll diesmal das LfU analysieren. Ob von den Ablagerungen nun eine akute Gefährdung für die Umwelt und den Menschen ausgeht, konnte man im Umweltministerium nicht beantworten. Sicher ist jedoch, daß man auch diesmal der beschuldigten Firma kaum etwas nachweisen kann, da die Angelegenheit durch Polizei, Justiz und Umweltbehörden so schleppend behandelt wurde. Lapidar hieß es aus Kabinettskreisen: „Umweltskandale wie diesen, können sie jeden Tag haben.“

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