piwik no script img

Ein Rettungsring für Ronald Reagan

■ Der neue Stabschef Howard Baker soll Reagans Position festigen / Aus Washington Stefan Schaaf

Die Iran–Affaire forderte ihr prominentestes Opfer. Donald Regan, als Stabschef verantwortlich für die Politik der Mitarbeiter im Weißen Haus, wurde geschaßt. Abgelöst wurde er von dem Mann, der im Watergate–Skandal mit seinen hartnäckigen Fragen über die Beteiligung Nixons Furore machte. Der prominente Republikaner soll jetzt Präsident Reagan ein halbwegs ehrbares Ende seiner Präsidentschaft bescheren und, was vielleicht noch wichtiger ist, das ramponierte Image der Republikanischen Partei wiede aufbügeln.

Der Wechsel ging rasch und recht unsanft vonstatten. Am Ende fand sich Donald T. Regan, der noch kürzlich geklagt hatte, er fühle sich als Ronald Reagans Stabschef gelegentlich in der Rolle der Putzkolonne, die nach der Parade die Hauptstraße aufzuwischen habe, selbst auf der Schaufel, die ihn aus dem Weißen Haus beförderte. Nach wochenlangem Tauziehen, bei dem Regans Gegner immer zahlreicher wurden, war die Uhr für den bissigen ehemaligen Wall–Street–Makler abgelaufen. Den Ausschlag hatte zuletzt die Veröffentlichung des Tower–Untersuchungsberichts über die Iran– Affäre gegeben, in dem mit der Amtsführung der gesamten Reagan–Administration äußerst hart ins Gericht gegangen wurde. Keine 24 Stunden später, es war noch heller Freitagnachmittag in Washington, stürmte ein Mitarbeiter Don Regans in dessen Büro im Weißen Haus und teilte dem überraschten Stabschef mit, soeben habe man im Fernsehen seine Entlassung verkündet. Obendrein habe Nancy Reagan vor den TV– Kameras ihre Befriedigung über die Ernennung Howard Bakers als seinen Nachfolger kundgetan. Regan, von der Entwicklung der Dinge überrascht, sei „an die Decke gegangen“ und habe auf der Stelle sein Rücktrittsschreiben diktiert. „Dear Mr. President“, lautete seine Erklärung, „hiermit trete ich als Stabschef des Präsidenten der Vereinigten Staaten zu rück. Hochachtungsvoll, Donald T. Regan.“ Die Sparsamkeit der Worte drückte etwas von der Bitterkeit aus, die Regan angesichts seiner vorgezogenen Entlassung überkommen haben mag. Regan hatte geglaubt, noch etwa eine Woche im Amt bleiben zu können, um einige Tage zwischen die heftige Kritik an seiner Amtsführung durch die Tower– Kommission und sein Ausscheiden aus der Administration legen zu können. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sein Amt gar noch bis zum 1. April ausgeübt. Seine Hoffnungen auf zusätzliche Zeit im Weißen Haus waren noch gestiegen, als zwei Kandidaten für seine Nachfolge, der ehemalige Senator Laxalt sowie der frühere Transportminister Drew Lewis, am Donnerstag das Jobangebot ablehnten. Laxalt brachte dann jedoch den Namen Howard Baker ins Spiel, eine Idee, für die Reagan sich sofort begeistert hatte, und Baker willigte umgehend ein, neuer Stabschef im Weißen Haus zu werden. Wer von diesen Entwicklungen allerdings nichts erfahren hatte, war der amtierende Stabschef, und Regan, der nicht für seine Sanftmütigkeit bekannt ist, reagierte entsprechend. Reagans Pressesprecher setzte dem Durcheinander dann noch die Krone auf, als er am Abend eine Erklärung abgab, derzufolge Regan schon vor Monaten Rücktrittsabsichten geäußert habe, obwohl in den vergangenen Wochen nichts in Washington öffentlicher vonstatten ging als Regans Kampf um sein Amt, in dem er nicht nur die republikanische Kongreßführung, sondern auch Reagans kalifornische Freunde und vor allem die First Lady gegen sich hatte. Die Beziehung zu Nancy Reagan war zum Schluß so abgekühlt, daß der Stabschef nur über Dritte mit ihr kommunizieren konnte. Und nicht nur Nancy: Seine Bemerkung im Vorfeld des Gipfels in Reykjavik, Frauen seien sowieso nicht in der Lage, die Details rüstungspolitischer Fragen zu verstehen, sorgte für einen Sturm der Entrüstung. Regans Rücktritt war seit den ersten Tagen des Skandals gefordert worden, denn als Stabschef kam ihm die Aufgabe zu, die Politik der Mitarbeiter im Weißen Haus zu kontrollieren und zu koordinieren. Seine Pflicht wäre es gewesen, den Präsidenten vor unklugen Schritten zu warnen und ihn von den Aktivitäten des Sicherheitsberaters Poindexter in Kenntnis zu setzen. Ein Manager hätte er sein sollen, doch Donald Regan verstand sich vor allem aufs politische Marketing. Er ließ die Fehler durchgehen, sei es Reagans peinlicher Bitburg–Auftritt oder der schlechtvorbereitete Gipfel in Reykjavik, und verließ sich dann auf das rhetorische Geschick des Präsidenten, der die Schnitzer schon auswetzen werde. Der Bericht der Tower–Kommission sagt über Donald Regan: „Mehr als wohl jeder Stabschef vor ihm übte er persönliche Kontrolle über die Mitarbeiter im Weißen Haus aus und versuchte, sie auf den Sicherheitsberater auszudehnen. Er hat sich selbst in die Diskussion von Fragen der nationalen Sicherheit eingeschaltet und an den meisten relevanten Treffen teilgenommen, bei denen die Iran– Initiative behandelt wurde. Er hätte, so wie jeder andere, auf einem ordnungsgemäßen Ablauf der Dinge bestehen müssen. Im besonderen hätte er sich um das Vorgehen kümmern müssen, falls die Initiative aufgedeckt würde. Ihm fällt in erster Linie die Verantwortung für das Chaos zu, das nach ihrem Bekanntwerden ausbrach.“ Regan, der sonst noch die kleinsten Details entscheiden wollte, der in jedem Redeentwurf des Präsidenten herumstrich und selbst Kabinettsmitglieder herumkommandierte, hatte im entscheidenden Punkt versagt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen