: „Da macht es Freude zuzuschauen“
■ Die ARD–Magazine aus der Sicht eines interessierten Zuschauers / Die Krönung sind die abenteuerlichen Amateur–Videos in den gut recherchierten Beiträgen
Sie laufen dienstags, die ARD–Magazine, immer um 21 Uhr. Leider kann ich sie nicht regelmäßig gucken, weil meinen beiden Mitbewohnerinnen Polit–Sendungen schnuppe sind und sie sich mehr für den zeitgleich laufenden Spielfilm im Zweiten interessieren. Oder für Formel 1, was, zumindest auf unserem III. Programm, ebenfalls am Dienstag um 21 Uhr gegeben wird. Man kann sich vorstellen, daß da oft bei uns gestritten wird, wo wir nur einen Fernseher und kein Video haben. Aber letzten Dienstag, da hat es geklappt: Kontraste habe ich gesehen ... oder wars Monitor? Panorama gar? Oder sah ich Report? Ich schaffe es einfach nicht, die einzelnen Redaktionen auseinanderzuhalten; erst recht nicht, ihnen den richtigen Moderator zuzuordnen. Ich kenne sie zwar: den selbstmitleidigen Alt (ist der nicht geschaßt?), den zotteligen Gatter (den sie mal zum Friseur schicken sollten), den triefigen Lojewski (der auch gut Schlafwagenmissionar hätte werden können), den pfiffigen Bednarz ... aber zu welcher Sendung gehören die? Ich weiß es nicht. Und es ist auch nicht wichtig, das zu wissen. Unterschiede gibt es kaum. Konzeptionell und inhaltlich präsentieren sich mir die ARD–Magazine und ihre Macher als eine Front. Als eine Front linker Brüder, würde mein Vater sagen. Und so wie sich die linken Brüder in ihren oft unsäglichen, weil moralindüsteren Litaneien gleichen, so haben auch die Filmbeiträge alles gemeinsam: Sie sind brisant, spektakulär und spannend, und deswegen so überaus unterhaltsam. Denn ihr Handwerk, das beherrschen die Burschen allemal. In keiner anderen Sendung kommen die Recherchen so messerscharf daher, nirgends sehen Beamte und Politiker in Interviews so alt aus. Da macht es Freude zuzuschauen. Noch mehr mag ich die Filme von vor Ort. Immer authentisch, immer mittendrin dabei: auf Schornsteinen, im Zaunkampfgetümmel, bei Hempels unterm Sofa. Aber die Krönung sind die meist sehr abenteuerlichen Aufnahmen von Videoamateuren, die trotz qualitativer Mängel immer gern gezeigt werden. Soll mir recht sein. Wo da einer gefilmt hat wie die Bullen auf der Brokdorf–Demo einen zusammenknüppeln, das hab ich mir tags drauf gleich noch mal im Vormittagsprogramm reingezogen. Auch sehr gut die Aufnahmen eines Amateurs von einem Chemiegroßbrand, wo man erst eine herrliche Explosion erleben darf, bevor es den Filmer aus den Schuhen reißt: wacklige Bilder, alles durcheinander, Chaos.... wo sonst werden solche Filme gebracht? Letzten Dienstag lief auch ein Amateurstreifen. Ein Umweltfilm aus der DDR. Der hat mich allerdings enttäuscht. Dafür gabs hinterher noch prima Flugzeugabstürze zu sehen, was mich entschädigt hat, weil gerade ich unheimlich auf Flugzeugcrashs stehe. Wenn dann der Moderator seine letzte Nachdenklichkeit zum Besten gegeben hat und der Abspann läuft, dann dräut es in mir. Es drängt mich hinaus, auf die Straße, Unterschriften sammeln, Demo organisieren, das Unrecht bekämpfen, von dem ich soeben erfuhr im ARD–Magazin ... doch schon zappelt der Miami– Vice–Trailer über den Bildschirm und ich bleibe sitzen, um zu erleben, wie Crockett und Tubbs es übernehmen, das Übel zu bekämpfen, und wie zuletzt doch immer das Gute obsiegt. Oder das Böse. Je nach dem. Fritz Tietz
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