: Arzt hat Patientinnen mißbraucht
■ Staatsanwalt hält Arzt für überführt, elf von 33 narkotisierten Frauen vergewaltigt oder sexuell genötigt zu haben / Beantragte Einzelstrafen von insgesamt 22 Jahren auf sieben Jahre Haft reduziert
Von Petra Bornhöft
Recklinghausen (taz) - In dem seit vier Monaten andauernden Prozeß gegen den praktischen Arzt Dr. Jan C. (59) aus Oer–Erckenschwick beantragte gestern die Staatsanwaltschaft eine Gesamtstrafe von sieben Jahren Haft und ein sich daran anschließendes Berufsverbot für die Dauer von fünf Jahren. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, in 47 Fällen Patientinnen ohne Notwendigkeit, Einwilligung und Sicherheitsvorkehrungen mit dem Narkotikum „Brevimytal“ betäubt zu haben. In 33 Fällen sieht Oberstaatsanwalt Johannes Hirsch den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung als erwiesen an. Darüber hinaus habe der Arzt vier Frauen während der Bewußtlosigkeit vergewaltigt und sieben sexuell genötigt. Der Beschuldigte bestreitet alle Vorwürfe. Schon kurz nach Eröffnung einer Praxis im Sommer 1984 schaffte der gebürtige Tscheche ein Ultraschallgerät an. Frauen, die zum Beispiel wegen „Kribbeln im Finger“ oder auch nur „Husten des Sohnes“ kamen, wollte der Arzt in den Unterleib sehen. Dr. C. „gab keine Erklärungen ab“, so der Staatsanwalt, „sondern setzte die Spritze und hantierte am Genitalbereich der bewußtlosen Patientinnen“. Die Methode, eine Ultraschallaufnahme unter Nar kose vorzunehmen, werde auf der ganzen Welt wohl nur von dem Angeklagten vorgenommen, hatte ein Sachverständiger bestätigt. Dr. C. begründete im Prozeß sein Vorgehen mit der Absicht, „Luftüberlagerungen im Bauch wegzudrücken“. Dafür gebe es andere Methoden; außerdem sei auffallend, so Hirsch, „daß nur Frauen zwischen 17 und 44 Jahren „Luft im Bauch“ gehabt hätten. Der Versuch der Verteidigung, das Verfahren als einen „Kunstfehlerprozeß“ darzustellen, sei vordergründig. Hätte Dr. C. aufgrund medizinischer Indikation und nicht aus sexuellen Motiven gehandelt, müßte die Behandlung in den Krankenunterlagen vermerkt gewesen sein. Im Vertrauen auf die Autorität des Mannes im weißen Kittel hätten die Frauen zwar Unverständnis geäußert, aber kein tiefgehendes Mißtrauen entwickelt. Eine mutige Hausfrau schließlich brachte den Fall ins Rollen, als sie sich kurz nach ihrer Narkose einem Gynäkologen anvertraute. Die Recklinghäuser Strafkammer des Bochumer Landgerichtes lehnte es gestern ab, die Haftverschonung aufzuheben. Am kommenden Mittwoch wird die Verteidigung plädieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen