: Wie kommt Mais nach Mozambique?
■ In dem südafrikanischen Frontstaat verschärft sich erneut die Versorgungssituation / Viehfutter für Frauen und Kinder / Der Nachbarstaat Zimbabwe wird unterdessen sein Überschußgetreide nicht los
Von Michael Hagedorn
Berlin (taz) -“Seit Anfang Dezember hat in Pemba der Hunger um sich gegriffen. Zuerst gab es noch einmal am Tag Maisbrei mit Zucker für jeden, dann nur noch ein paar Kochbananen oder Kekse. Das wenige, was es gelegentlich auf dem Markt zu kaufen gibt, bekommen Frauen und Kinder. Meist ist es nur Maniokmehl, das normalerweise nur als Viehfutter verwendet wird und auch entsprechend schmeckt. Aber jetzt gibt der Brei wenigstens vorübergehend das Gefühl der Sättigung.“ Dieser Brief wurde vor drei Wochen von einer Entwick lungshelferin aus der Provinzhauptstadt Pemba im Nordosten Mozambiques abgeschickt. Was er beschreibt, ist zur Zeit Alltag für etwa vier der 13 Millionen Bewohner des südostafrikanischen Frontstaates. Seitens der Hilfsorganisationen wird bereits von einer Äthiopisierung des Hungerproblems gesprochen, d.h. von Dimensionen, wie sie bisher nur aus der äthiopischen Katastrophe vor zwei Jahren bekannt waren. 670.000 Tonnen Nahrungsmittel benötigt Mozambique innerhalb der nächsten zwölf Monate, ein Drittel der Bevölkerung ist akut vom Hunger bedroht. Anders als in Äthiopien oder Anfang der 80er Jahre in Mozambique, sind es diesmal nicht Dürre oder Überschwemmungen, nicht Fehler in der staatlichen Planung, die das Elend der Millionen verursachen und verschärfen. Es ist der Krieg, oder konkreter gesprochen die von Südafrika unterstützten Banden der RENAMO, die seit Jahren (aber in zunehmendem Ausmaß) das Land destabilisieren, durch Überfälle, Raub und Terror die Bevölkerung einschüchtern und die Volkswirtschaft an den Rand des Ruins treiben. Die Banditen zerstören systematisch Nahrungsmittellager, Felder, Lastwagen, Vermarktungseinrichtungen, Eisenbahnlinien und Straßen, Versorgungstransporte werden überfallen. 1,5 Millionen Menschen sind bereits vor diesem Krieg in die Nachbarländer geflohen, Hunderttausende, die genaue Zahl der „Dislocados“ kennt niemand, suchen innerhalb Mozambiques nach einem sicheren Ort. In den vergangenen Jahren fiel genug Regen, aber in den vom Krieg betroffenen Provinzen ging die Nahrungsmittelproduktion drastisch zurück. Anfang Februar erfuhr die mozambiquanische Nachrichtenagentur von einem neuen Plan namens „Blockade“ für die zentralen Provinzen. 250 Tonnen Waffen sollen demzufolge ins Landesinnere gebracht werden, um den nach dem Rausschmiß der RENAMO aus Malawi entstandenen Engpaß zu überwinden, Hunderte von frisch trainierten Rebellen werden oder wurden bereits in kleinen Gruppen aus Camps in der östlichen Provinz Transvaal (Südafrika) in den Süden Mozambiques eingeschleust. Die desaströsen Auswirkungen der südafrikanischen Politik beschreibt der im Januar veröffentlichte Report des UN–Kinderhilfswerks UNICEF namens „Kinder des Krieges“: Seit 1980 starben in Angola und Mozambique über eine halbe Million Kinder unter fünf Jahren, deren Tod direkt mit Buschkrieg und Destabilisierung in Zusammenhang gebracht werden kann, Schulen für 300.000 Kinder wurden ebenso zerstört wie 700 Gesundheitsposten für zwei Millionen Menschen. Die staatliche Mozambiquanische Hilfsorganisation ist mit der Situation völlig überfordert. Im Januar standen ihr ganze zwei Lastwagen zur Verfügung und die internationale Hilfe läuft erst jetzt allmählich an. Groteskerweise lagert gleichzeitig im Nachbarland Zimbabwe ein riesiger Berg von 2,3 Mio. Tonnen Überschußgetreide. Allein, es fehlt an Geld, bzw. willigen Geldgebern. Zimbabwe kann es sich nicht leisten, viel davon zu verschenken, und die wichtigsten Geldgeber USA und EG denken bislang gar nicht daran, Geld für den Kauf von Mais in Zimbabwe bereitszustellen. Sie wollen lieber ihre eigenen Überschüsse loswerden. Einzig die Bundesregierung hat nach Angaben des Auswärtigen Amtes jetzt 7.000 Tonnen Mais für Mozambique aufgekauft. „Es kommt zu der absurden Situtation“, schreibt der Journalist Paul Fauvet, „daß US– Getreide mit dem Schiff um die halbe Welt in mozambiquanische Häfen gebracht wird und dies als uneigennütziger Akt ausgegeben wird, während es Zimbabwe nicht möglich ist, seine Überschüsse wenige hundert Meilen mit der Bahn zu transportieren.“ Im Zimbabwe ist man zu Recht verärgert über diese Situation, hat das Land doch genau das getan, was Weltbank und Internationaler Währungsfonds predigen: der Landwirtschaft Priorität eingeräumt. Als eines der wenigen afrikanischen Länder hatte es damit Erfolg und produziert heute Überschüsse, die es nicht loswird. Jetzt plant die Regierung, die Getreideproduktion wieder zu verringern. Ab September erhalten Bauern, die zuviel produzieren, nur noch den halben Preis pro Tonne, ein Betrag, der nicht einmal ihre Produktionskosten deckt.
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