: P O R T R A I T Die rechte Hand der Faschisten
■ Der italienische „Oberbombenleger“, jetzt ausgelieferter mutmaßlicher Bologna–Attentäter, Delle Chiaie, organisierte weltweit paramilitärische Truppen
In Italien fahndeten angeblich mehrere hundert Ermittler ergebnislos hinter ihm her, u.a. wegen mindestens hundert Morden bei Sprengstoffattentaten: In Spanien machte er zur Zeit des Diktators Franco den baskischen Separatisten der ETA mit Mordanschlägen zu schaffen, in Chile und in Costa Rica, in El Salvador, in Bolivien mischte er bei Putschen mit, selbst im afrikanischen Angola war er tätig: Stefano delle Chiaie, 50, in Italien als „bombarolo capo“, „Oberbombenleger“, bekannt, baute in den siebziger Jahren in mehr als einem Dutzend Ländern mobile Einsatztruppen auf, mal zur Vorbereitung von Putschen - dazu trat er z.B. in Bolivien mit dem später ebenfalls in den Umsturz verwickelten deutschen Legionär Joachim Fiebelkorn in Kontakt -, mal unter bereits faschistischer Herrschaft wie in Argentinien, wo er die „Todesschwadronen“ mitorganisierte. Großzügig bekannte er sich in Interviews zu seinen Aktivitäten, schickte auch mal Briefe an die italienischen Behörden, „gesiegelt“ mit seinem Fingerabdruck, um die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen „zurechtzurücken“. Doch das Erstaunliche an Delle Chiaie ist nicht nur die lange Liste seiner Taten - es besteht vielmehr darin, wie er mehr als siebzehn Jahre allen angeblichen oder tatsächlichen Fahndungen entging. Bekannt war er der Polizei schon seit 1962, wo er wegen neofaschistischer Gewalttätigkeiten auffiel; 1970 führte er im Putsch des „Schwarzen Fürsten“ Borghese eine eigene Freischärlergruppe - und verschwand seither aus dem Gesichtsfeld der i eine Reihe von Bombenanschlägen durchführte, bis hin zur Zerstörung des Bahnhofs von Bologna 1980, als 85 Menschen getötet wurden. Die „Strategie der Spannung“ in den siebziger Jahren, die Destabilisierung Italiens durch immer massivere ziellose Anschläge ist im wesentlichen das Werk Gellis, Delle Chiaies - und der Geheimdienstler aus der Loge P 2, die die beiden deckten. Einige davon, wie der ehemalige Vizechef des militärischen Abschirmdienstes SISMI, Musumeci, sitzen heute in Bologna auf der Anklagebank - zu ihnen wird wohl noch diese Woche auch der „bombarolo capo“ stoßen: die Venezuelaner haben ihn mit überraschender Geschwindigkeit abgeschoben und damit den Italienern ausgeliefert. Offiziell zum Verhängnis geworden ist ihm sein schwunghafter Rauschgifthandel: das allerdings ist keine neue Erkenntnis, denn damit hat er schon in den siebziger Jahren seine Truppen finanziert; nicht umsonst avancierte er nach dem Putsch der bolivianischen Kokainmafia zum Regierungsberater. Bei der Verhaftung Delle Chiaies im venezuanischen Chacaito fand man in seiner Wohnung zahlreiche Pässe und andere Ausweispapiere, darunter auch Presseausweise, die er in verschiedenen Ländern Lateinamerikas benutzt hatte, um geheime Pressekonferenzen zu geben. Der internationale Top–Söldner hatte sich also noch keineswegs zur Ruhe gesetzt. Werner Raith/taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen