: Saar–Fischsterben: Verursacher im Netz
■ Die Dillinger Hütte soll für das Massenfischsterben in der Saar verantwortlich sein / Leinen–Ministerium wußte schon vor dem Desaster von Einleitungen
Aus Saarbrücken Felix Kurz
Die Saarbrücker Staatsanwaltschaft ermittelt im Zusammenhang mit dem gewaltigen Fischsterben an der Saar Ende Juli vergangenen Jahres (rund hundert Tonnen Fische verendeten damals) gegen die Verantwortlichen der Dillinger Hütte. Das teilte der saarländische FDP– Chef Horst Rehberger nach einer nicht–öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses „Fischsterben“ überraschend gestern mit. Als Ursache der Öko– Katastrophe hatte man damals außergewöhnlich hohe Cyanid– Werte angegeben. Acht Monate nach dem Umweltdesaster richtet die Staatsanwaltschaft ihr Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt nun in ein Ermittlungsverfahren gegen den Stahlkonzern Dillinger Hütte um. Grundlage der Untersuchungen sind offensichtlich zwei Gutachten des staatlichen Hygieneinsti tuts. Rund zehn Tage nach dem großen Fischsterben waren im Einleitungskanal E 16 der Dillinger Hütte noch gewaltige Cyanid– Werte gemessen worden. Dieser Abwasserkanal fließt knapp oberhalb der Mündung der Prims in das Saar–Nebenflüßchen. Genau dort wurden die ersten toten Fische damals entdeckt. Kurz vor dem Fischsterben an der Saar gab es im Hochofen 4 der Dillinger Hütte einen Unfall, bei dem zahlreiche Giftstoffe freigesetzt wurden. Sie sollen nach Informationen der taz teilweise auch über den Kanal E 16 „entsorgt“ worden sein. Warum die Ermittlungsbehörden erst jetzt auf den Stahlkonzern als potentiellen Verursacher gekommen sind, wollte der Ausschußvorsitzende Rehberger (FDP) mit dem Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren nicht beantworten. Tatsache ist aber, daß der Staatsanwaltschaft zunächst keinerlei Angaben über die von der Dillinger Hütte in die Prims eingeleiteten Mengen von Schwermetallen und anderen Giftsubstanzen vorgelegen hatten. Dem saarländischen Umweltminister Jo Leinen allerdings waren die gewaltigen Einleitungsmengen von Schadstoffen durchaus schon Monate vorher bekannt. In zwei Sitzungen des Umweltausschusses wurde über die Dillinger Hütte gesprochen, die so ziemlich alles an Schwermetallen und sonstigen Giftsubstanzen via Prims in die Saar unbehandelt leitet. Fortsetzung auf Seite 2 Die offiziellen Zahlen für jährliche Einleitungen: 18 Tonnen Aluminium, 15 Tonnen Cyanide, 24 Tonnen Blei, 84 Tonnen Zink, 232 Kilogramm Cadmium, 9 Kilogramm Quecksilber, 135 Tonnen Ammonium, usw. Über den Kanal E 16 werden z.B. alle Cyanide in die Prims „entsorgt“. Für die Dillinger Hütte existiert nämlich nur eine allgemeine Einleitungsgenehmigung aus dem Jahre 1924. Weder die CDU–Vorgänger–Regierungen noch Umweltminister Leinen (SPD) wurden bis zu dem Öko–Debakel aktiv. Die Leinen–Behörde handelte dagegen ganz anders. Als nämlich im März vergangenen Jahres die Mißstände bei der Dillinger Hütte langsam bekannt wurden, wollte sie die offiziellen Zahlen ihrer Untersuchungsergebnisse dem Umweltausschuß erst nicht mitteilen. Erst auf wiederholtes Drängen gab das Ministerium nach. Kurz nach dem Fisch–GAU verneinte die Landesregierung sogar ausdrücklich, daß die Hütte als Verursacher in Betracht komme.
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