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Geschäftsanbahnung am Rande der Konferenz

■ Während die Regierungen der Industrieländer sich im Atomtransfer vorsichtig gebärden, versuchen die Atomfirmen, ihre Technik loszuschlagen, wo sie nur können

Die Zwänge des Atomsperrvertrages hemmen natürlich auch die Exportlust der Atomwirtschaft in den Industrieländern, die liebend gerne jede Menge Atomkram in die Dritte Welt verdealen würden, zumal das Business zu Hause derzeit kaum Erfolge vorzuweisen hat. Doch allzu konsequent wurde die Non–Proliferation noch nie gehandhabt. Auch in Genf nicht. Während das „politische“ Komitee I der Konferenz sich vergeblich um „allgemein anerkannte Grundsätze“ der Atom–Zusammenarbeit mühte, sich mit Halbsätzen, Kommas und Klammern quälte, fand im „technischen“ Komitee II der Erfahrungsaustausch über den weltweiten Stand der Atomtechnik statt. Insgesamt 103 Arbeitspapiere nehmen die Delegierten mit nach Hause, darunter nicht wenige nur schlecht getarnte Verkaufsofferten. Empört registrierte ein Beobachter der schwedischen Anti–AKW–Bewegung, daß seine Landsleute in Genf ganz offen nordische Atomtechnik anboten. Schließlich hat Schweden den Ausstieg bis zum Jahr 2010 beschlossen. Im Geschäft bleiben will man eben trotzdem. Der unvermeidliche Prof. Birkhofer von der bundesdeutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit sang einmal mehr das Loblied auf Reaktorsicherheit made in Germany, und die Unterlagen der KWU wiesen Indien, Argentinien und Brasilien als Geschäftspartner aus - alle drei Nicht–Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages (NPT). Ein großes Hemmnis für den Atomtech–Export liegt in der Finanzschwäche der potentiellen Kunden. Eine „special working group“ der IAEA tüftelt derzeit in Wien an Finanzierungsprogrammen, die auch von der Weltbank mitgetragen werden sollen. Überhaupt setzen die Atom–Jünger der Dritten Welt große Hoffnungen in die IAEA. Nicht zu Unrecht. Denn neben der Kontroll– und Überprüfungstätigkeit weitet die Wiener Behörde stetig ihr millionenschweres „Technical Assistance Program“ aus. Mit rund 55 Millionen Mark, so rechnete Botschafter Wiegand Pabsch der Konferenz vor, habe die BRD seit 1980 die Aktivitäten gesponsert. Seit Beginn der 80er Jahre setzt die Atomlobby auf die Entwicklung von kleinen (200 bis 400 Megawatt), den Infrastrukturen der Dritten Welt angepa ßten und leichter zu bedienenden Meilern, sogenannten „small and medium–sized reactors“ (“New designs for new markets“ heißt es dazu in einem KWU–Papier). Canada z.B. hausierte in Genf mit dem angeblich nahezu wartungsfreien „Slowpoke“, Schweden mit den Typen „Pius“ und „Secure“. Durch Standardisierung möchten einige Kunden die Bauzeiten und -kosten senken. Neben der Energiegewinnung durch Atomkraft wurde in Genf den sogenannten „anderen Anwendungsbereichen“ der Nukleartechnik große Aufmerksamkeit gewidmet. Meeresforschung, Wasseraufbereitung, Landwirtschaft, die Bekämpfung der Tse–Tse–Fliege - alles leicht gemacht mit Strahlen–Tech. Diese sekundären Sektoren dienen offensichtlich als Vehikel für die technische Infrastruktur und die personellen Kapazitäten als Basis für einen zukünftigen Einstieg in die Atomwirtschaft. Der Renner ist „Food irradiation“, die wissenschaftlich höchst umstrittene Konservierung von Lebensmitteln durch ionisierende Strahlen, welche die IAEA quasi als Lösung der Nahrungsprobleme in den Entwicklungsländern preist. Von der Atomenerg dumm, daß sich auch hier wieder das leidige Proliferations–Problem stellt: Für „Food Irradiation“ sind neben Kobalt große Mengen Cäsium nötig. Cäsium wird bei der Wiederaufarbeitung gewonnen - die aber auch Plutonium abwirft. Proliferations–Experten plagt seit längerem ganz speziell die Sorge um die weltweit zunehmenden Mengen von Plutonium, die in den zivilen Reaktoren anfallen und die mit dem Einstieg in die Wiederaufarbeitung, wie sie einige Industrieländer planen, stark anwachsen wird. Nach Meinung von IAEA– Experten wird der Ausstoß „zivilen“ Plutoniums schon bald Größenordnungen erreichen (über 1.000 Tonnen bis zum Jahr 2000), bei denen die Kontrollmechanismen der IAEA versagen.

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