: Ihr wollt Sonne?
■ Malt sie Euch an die Wand / Die Haftbedingungen für politische Gefangene in der Westbank waren Anlaß für einen dreiwöchigen Hungerstreik von fast 5.000 Gefangenen
Noch während des Hungerstreiks wurden sieben palästinensische Gefangene nach Ablauf ihrer Haftzeit entlassen. Mahmoud Kouran, einer von ihnen, hat im Gefängnis von Jned in der Westbank am Hungerstreik teilgenommen. Auf einer Pressekonferenz in Jerusalem sprach er über die Zustände in den Knästen. „Wir werden ständig geschlagen. Wegen Nichtigkeiten werden kollektive Strafen verhängt. Sie beschießen uns in den geschlossenen Zellen mit Tränengas. Wir bekommen weder Zeitungen noch Bücher, selbst religiöse Schriften werden unseren Verwandten bei ihren Besuchen abgenommen. Mit unserem Besuch köönen wir nur durch zweifache Gitter getrennt sprechen. Sie haben die Minderjährigen von uns getrennt. Ohne den Schutz der Älteren und Erfahrenen sind sie noch mehr den Aggressionen der Wärter ausgeliefert. Die Frauen werden mit normalen israelischen, kriminellen Frauen in eine Zelle gesteckt. Mit Rauschgiftabhängigen, die ihre Aggressionen an ihnen auslassen. Es gibt keine sozialen Kontakte mehr. Mauern trennen die Gruppen auf dem Gefängnishof. Ständig müssen wir Leibesvisitationen über uns ergehen lassen. Seit neuestem sollen wir uns splitternackt ausziehen. Sie wollen uns demütigen und erniedrigen. In Jned essen manche Gefangene vom Fußboden, weil sie keine Teller erhalten. Es herrscht Überfüllung. Acht Gefangene teilen sich eine Zelle von 10 qm, in der noch Betten und ein Klo Platz haben müssen. Einige schlafen deshalb auf dem Boden. In Tulkarem haben sie Ställe in Zellen verwandelt. In einer Pferdebox vegetieren jetzt acht Menschen. Unser Gesundheitszustand ist auch wegen des mangelhaften Essens elend. Viele sind ernsthaft krank, aber für alles gibt es nur Acamol (Aspirin), keine Arztbesuche, keine Operationen, nichts. Isolationshaft, die laut Genfer Konvention höchstens 14 Tage dauern darf, wird bei uns manchmal bis zu drei Monaten verhängt, und zwar in einer Zelle von 80 qcm. Unsere Zellen sind dunkel. Die Fenster werden mit Asbestplatten zugenagelt. 21 Stunden am Tag sitzen wir hier im Finsteren. Wir wollen auf jeden Fall das Minimum: Licht, Luft und Sonne und eine menschenwürdige Behandlung. Nach der Amtseinführung des neuen Leiters aller israelischen Gefängnisse, ein hoher Militär namens Maimon, hat sich die Situation enorm verschlechtert. Die wenigen, in oft blutigen Hungerstreiks erkämpften Erleichterungen der letzten zwanzig Jahre hat er rückgängig gemacht. Voller Zynismus schlägt er hier eine Vernichtungs– Schlacht. Ihr wollt Sonne? Malt sie Euch an die Wand! Ihr wollt Verhandlungen? Mein Schuh ist klüger als der Weiseste unter Euch!“ Victoria Waltz
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