: UdSSR fürchtet „Dr. Seltsam–Syndrom“ im Westen
■ Zwar herrscht in Moskau Enttäuschung über die Reaktionen der NATO auf die Abrüstungsvorschläge Gorbatschows, doch der sowjetische Rüstungskontrollbeauftragte Viktor Karpow gibt die Hoffnung auf ein Gipfeltreffen noch im Herbst nicht auf
Washington/Moskau (ap) - Optimistisch in der Frage der Mittelstreckenwaffen, aber kontrovers hinsichtlich der Raketen kürzerer Reichweite haben sich Washington und Moskau über Ostern auf die am Donnerstag beginnende neue Runde der Genfer Abrüstungsverhandlungen vorberei tet. Für den Fall eines Abkommens stellte am Sonntag der sowjetische Rüstungskontrollbeauftragte Viktor Karpow schon für den Herbst ein Gipfeltreffen zwischen Parteichef Michail Gorbatschow und US–Präsident Ronald Reagan in Aussicht. In einem Gespräch mit der US– Fernsehgesellschaft ABC sagte Karpow, während des Moskau– Besuchs von Außenminister George Shultz sei ein genauer Handlungsrahmen abgesteckt worden. Wenn in Washington „eine wirkliche Bereitschaft“ zu seiner Beachtung bestehe und nicht „irgendwelche künstlichen Hindernisse“ aufgestellt würden, sei ein Abrüstungsvertrag greifbar. Einig sind sich beide Seiten im Grundsatz, die in Europa stationierten Mittelstreckenwaffen ganz zu beseitigen. Jeweils 100 Trägersysteme mittlerer Reichweite (1.000 bis 5.500 Kilometer) sollen im asiatischen Teil der Sowjetunion und in Nordamerika verbleiben. Präsident Reagan dämpfte Erwartungen auf einen schnellen Abschluß eines Abkommens der beiden Supermächte. Reagan fügte hinzu, er wolle persönlich mit den westeuropäischen Verbündeten über Vorbehalte beraten, auch bei Raketen kürzerer Reichweite (500 bis 1.000 Kilometer) die sogenannte Null–Lösung zu vereinbaren. Mehrere westeuropäische Regierungen hatten nach dem Moskauer Shultz–Besuch die Besorgnis geäußert, ein Abbau sämtlicher Atomwaffen in Europa könnte angesichts einer konventionellen Überlegenheit des Warschauer Pakts die eigene Sicherheit gefährden. Bundesaußenminister Hans–Dietrich Genscher warnte allerdings eindringlich davor, Gorbatschows Angebot einer Einbeziehung von Kurzstreckenwaffen in die Null–Lösung eilfertig zurückzuweisen. In Moskau waren die Reaktionen der NATO auf die jüngsten sowjetischen Abrüstungsvorschläge mit Enttäuschung aufgenommen worden. Nach einem kritischen Kommentar der amtlichen Nachrichtenagentur TASS, in dem die Regierungen in Bonn, London und Paris namentlich angegriffen wurden, warf am Sonntag der Sprecher des sowjetischen Außenministeriums, Gennadi Gerassimow, westlichen Politikern vor, an einem „Dr. Strangelove– Syndrom“ zu leiden. Wie in dem britischen Film „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte die Bombe zu lieben“ von 1963 versteife sich der Westen darauf, weiterhin atomare Vernichtungswaffen zu behalten. Der Leiter des sowjetischen Amerika–Instituts, Georgi Arbatow meinte: „Jedesmal, wenn es besser aussieht, bringt irgendjemand alles durcheinander, und dann sieht es wieder schlechter aus.“
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