: Folterprozesse verschoben
■ Argentiniens oberster Gerichtshof kommt meuternden Militärs entgegen / Weitere Generäle in den Ruhestand geschickt
Buenos Aires (ap/taz) - Nach der Beilegung mehrerer Offiziersrevolten in Argentinien ist den Meuterern ein weiteres Zugeständnis gemacht worden. Der Oberste Gerichtshof des Landes verschob am Mittwoch die Eröffnung von Prozessen gegen rund 250 Offiziere, die wegen Menschenrechtsverstößen in der Zeit der Militärdiktatur angeklagt sind. Nach Ansicht von Juristen wurden die Verfahren damit für unabsehbare Zeit auf Eis gelegt. Am Dienstag war der Prozeß gegen 20 Marineoffiziere, der am Donnerstag hätte eröffnet werden sollen, verschoben worden. Die Angeklagten sollten sich wegen Folterung und Mord in der Mechanikschule der Marine, aus der etwa 4.000 Menschen spurlos „verschwanden“, vor Gericht verantworten. Der Oberste Gerichtshof begründete die Entscheidung, den Prozeß zu verschieben, damit, daß geklärt werden müsse, ob das (zivile) Bundesgericht zuständig sei oder ein Militärgericht, wie es die Verteidiger verlangen. Bereits am Montag war mit dem Rücktritt des Heeresstabschefs Hector Rios Erenu eine Forderung der rechtsgerichteten Meuterer erfüllt worden. Rios Erenu hatte die Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen während des Militärregimes von 1976 bis 1983 unterstützt. Unterdessen versicherte Verteidigungsminister Horacio Jaunarena, in allen Kasernen herrsche wieder „völlige Normalität“. Die drastische Umbildung der Streitkräfte werde mit der für Donnerstag geplanten Vereidigung des neuen Heeresstabschefs Jose Dante Caridi abgeschlossen. Nach der Entlassung von zehn Generälen am Montag wurden am Mittwoch weitere fünf Generäle in den Ruhestand geschickt. Wie verlautete, beraten die fünf Richter des Obersten Gerichtshofs derzeit darüber, ob für die angeklagten Offiziere ein Befehlsnotstand geltend gemacht werden kann. In diesem Fall könnten alle Verfahren eingestellt werden. Wie bekannt wurde, forderten die Richter Berichte von den Appellationsgerichten der Bundesländer an, vor denen die 250 Offiziere angeklagt sind. Zu den Generälen, deren Pensionierung am Mittwoch bekanntgegeben wurde, gehört der Kommandeur des zweiten Armeekorps, General Ernesto Alais, der mit 2.000 regierungstreuen Soldaten am Wochenende die 150 rebellierenden Offiziere in der Infanterischule in Campo de Mayo, einem Vorort von Buenos Aires, belagert hatte.
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