Guernica, 50 Jahre nach dem Horror

■ Am 26. April 1937 zerstörte die Legion Condor, eine Elite–Truppe der Nazis, die im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten Francos kämpfte, das baskische Städtchen Guernica

Aus Guernica Antje Bauer

Frühling in Guernica. Die Wiesen auf den Hügeln duften, die Platanen in dem Städtchen zeigen ihre ersten Triebe, die heilige Eiche von Guernica, seit Jahrhunderten das Symbol für die Rechte der Basken, ist grün. Auf den Bänken an der Hauptstraße, dem Paseo de la Union, sitzen alte Männer mit Baskenmützen und sonnen sich, nach Schulschluß stehen auf der Plaza schäkernde Jugendliche. Solch ein Bild der Beschaulichkeit muß Guernica auch abgegeben haben, als am 26. April 1937, morgen sind es gerade 50 Jahre her, die deutsche Legion Condor über die Stadt herfiel. Es war ein Montag, der traditionelle Markttag in Guernica. Aus den umliegenden Dörfern waren viele Bauern gekommen, um hier ihr Gemüse zu verkaufen und sich selbst mit dem Nötigen zu versorgen. Es war viel los in den Straßen. In Spanien herrschte seit einem dreiviertel Jahr der Bürgerkrieg, und vor kurzem hatten Francos Truppen unter General Mola begonnen, das Baskenland zu erobern. Aus San Sebastian und Irun, aus der ganzen Provinz Guipuzkoa, waren Flüchtlinge nach Guernica geströmt. Die Stimmung war unruhig. In den Kneipen drängten sich die Leute. Am 31. März hatte die Legion Condor das Industrie–Städtchen Durango bombardiert, und General Mola hatte gedroht, er werde die ganze Provinz Biskaya, in der Guernica liegt, dem Erdboden gleichmachen. Die meisten Flüchtlinge wollten weiter ins nahegelegene Bilbao, das - im Gegensatz zu Guernica - durch einen Verteidigungsring geschützt war. In Guernica war nur ein Bataillon baskischer Soldaten stationiert, mit alten Gewehren und einem Maschinengewehr. Die Basken waren - anders als die Mehrheit der Katalaner - keine leidenschaftlichen Anhänger der Republik. Sie waren konservativ und katholisch und hatten mit Anarchisten und Kommunisten nicht viel im Sinn. Aber die republikanische Regierung hatte ihnen sehr weitreichende Autonomierechte zugestanden, und die Basken waren sich klar darüber, daß General Franco eine baskische Autonomie nicht anerkennen würde. Nach vier Stunden dem Erdboden gleich Wer den Befehl zur Zerstörung Guernicas gegeben hat, ist nach wie vor unklar. Auf seinem Vormarsch ins Baskenland bedurfte Franco der Unterstützung durch seine deutschen und italienischen Freunde, da die spanische Luftwaffe der Republik treu geblieben war. Die Legion Condor war eine Elitetruppe von 4.500 Mann, die Hitler im November 1936 zur Unterstützung der frankistischen Truppen nach Spanien geschickt hatte. Wilfred von Oven, persönlicher Pressereferent von Goebbels, schrieb später über die Legion Concor: „Jeder ihrer Angehörigen (...) war auf seinem Gebiet hervorragend ausgebildet und nach seiner bisherigen Bewährung ausgewählt - Elite im besten Sinn des Wortes.“ Die Legion Condor wurde von einem deutschen Befehlshaber kommandiert, der sich nur gegenüber Franco persönlich zu verantworten hatte. Ob nun Francos Generalstab den Befehl gegeben hat, oder ob es eine Entscheidung des Befehlshabers der Legion Condor, General Leutnant Hugo Sperrle, war: Während am Nachmittag des 26. April 1937, dem ersten sonnigen Tag nach mehreren Regentagen, die Bauern in Guer nica ihre Marktstände aufbauten, verluden gleichzeitig Soldaten der Legion Condor in der Stadt Burgos Spreng– und Brandbomben in ihre Flugzeuge, darunter die nagelneue Heinkel 111. Um halb vier Uhr nachmittags erschien das erste Flugzeug über Guernica. Der Beobachtungsposten hißte eine rote Fahne, als er des Flugzeugs ansichtig wurde, und gleich darauf läuteten die Glocken in der Stadt Alarm. Dann fielen die ersten Bomben. Vier Stunden lang sollten - in Abständen von einer halben Stunde - je drei Flugzeuge Bomben über Guernica abwerfen. Guernica ging in Flammen auf. Menschen in den Unterkünften wurden verschüttet, dreiviertel der Stadt wurde in diesen Stunden dem Erdboden gleichgemacht. Im Tiefflug rasten die Flieger über die Stadt hinweg und schossen mit Maschinengewehren auf alles, was sich bewegte: flüchtende Menschen, schreiende Kinder, Tiere. Um halb acht Uhr abends verließen die Bomber das, was von Guernica übriggeblieben war: 800 bis 1.600 Tote, Ruinen, eine riesige Rauchwolke, die die Stadt einhüllte und 1000 terrorisierte Einwohner. „Es war ein Horror“, sagt die 73jährige Andresa Idoiaga: „Ich habe viel vergessen in meinem Leben, aber daran erinnere ich mich, als ob es gestern gewesen wäre. Ich habe mich damals an den Fluß Mundaka geflüchtet und dort vier Stunden lang gewartet. Als ich wieder herauskam, brannte die ganze Stadt. Überall lagen Tote, in den Unterschlupfen waren die Leute zu Dutzenden verbrannt, meinen Bruder habe ich bei der Bombardierung verloren. Ich hatte damals einen Sohn, mit dem saß ich im Unterschlupf und außerdem war ich schwanger. Mein Mann war baskischer Soldat, der ist kurz darauf gefallen, und ich habe wenige Monate später meinen zweiten Sohn zur Welt gebracht. Da mußte ich allein für die beiden sorgen. Es war sehr hart.“ Generalprobe für den Zweiten Weltkrieg Als das Massaker bekannt wird, geht ein Aufschrei durch die Welt. Franco läßt erklären, die „Roten“ hätten die Stadt angezündet. Nach einer anderen Behauptung, die sich hartnäckig hält, sollte nur die Brücke von Renteria, die über den Fluß Mundaka bei Guernica führt, zerstört werden, um den Rückzug der republikanischen Truppen zu behindern. Fragt sich zum einen, wozu man für die Zerstörung einer Steinbrücke Spreng– und Brandbomben braucht, zum zweiten, wozu für einen Angriff auf einen kleine Brücke drei nebeneinanderflie gende Flugzeuge benötigt wurden und zum dritten - ist die Brücke intakt geblieben. Drei Tage nach der Zerstörung der Stadt marschierten über diese Brücke Francos Truppen nach Guernica ein. Die Basken glauben, daß ihnen mit der Zerstörung ihrer heiligen Stadt der Mut zum Widerstand genommen werden sollte, um so den Truppen Francos den Weg nach Bilbao freizumachen. Bilbao fiel drei Monate später. Oberst Jaeneke, im Frühjahr 1937 im Stab des Befehlhabers Sperrle, erklärte später dazu: „An und für sich war Guernica ein voller Erfolg der Luftwaffe.“ Und Göring sollte später vor dem Nürnberger Gerichtshof aussagen, er habe Hitler zur Unterstützung Francos gedrängt, „um meine junge Luftwaffe bei dieser Gelegenheit in diesem oder jenem technischen Punkte zu erproben“. Fünf Monate nach Francos Sieg über die Republik brach der Zweite Weltkrieg aus, die Erfahrungen aus der Probe wurden umgesetzt. Eine Untersuchung der Geschehnisse in Guernica wußten zunächst die Deutschen zu verhindern, und unter Francos Regime wurde das Massaker vollends zum Tabuthema. Nach dem Krieg wurde Guernica - zum Teil durch Gefangene - wieder aufgebaut. Die Spuren der Bombardierung sind heute kaum noch sichtbar. 1976, ein Jahr nach Francos Tod, gründete sich in Guernica eine Gruppe, die sich seither bemüht, die Geschichte der Stadt öffentlich zu machen. Vergeblich fordern sie seither die Öffnung der spanischen und deutschen Militärarchive, um die Verantwortlichen für das Massaker benennen zu können. Zum Jahrestag der Bombardierung hat diese Gruppe - unterstützt von „Herri Batasuna“, einem politischen Bündnis der baskischen Linken, das der Untergrundorganisation ETA nahesteht - eine Reihe Veranstaltungen organisiert. So fand in Guernica ein internationales Friedenscamp statt, zu dem sich - zum Entsetzen der Einwohner Guernicas - auch ein paar Dutzend Punkies einfanden. Eine Kunstausstellung zum Thema wird gezeigt, Musikveranstaltungen fanden statt. Doch am Umgang mit dem Jahrestag zeigt sich einmal mehr die Zersplitterung der baskischen Gesellschaft: Während der Feier des baskischen Nationalfeiertags „Aberri Eguna“ am vergangenen Sonntag, zu der auf Einladung von „Herri Batasuna“ Zehntausende nach Guernica gekommen waren, hunderte Demonstranten schrieen: „Es lebe ETA militar“, forderte die linke Partei „Euskadiko Ezkerre“, zu deren Gästen an diesem Tag Petra Kelly und Gert Bastian gehörten, in Bilbao, Guernica solle zum Symbol für Frieden und Toleranz auch innerhalb des Baskenlandes werden - ein deutlicher Wink an die ETA. Der konservative Bürgermeister von Guernica wiederum, auf dessen Initiative vor wenigen Jahren das angebliche Ziel der Bomber, die Brücke von Renteria, abgerissen und durch eine neue ersetzt worden ist, begnügt sich mit der Errichtung von Gedenksteinen. Concha, eine alte Frau, die die Bombardierung miterlebt hat, drückt vielleicht am ehesten die Bedürfnisse der meisten alteingesessenen Bürger von Guernica aus: „Was soll das ganze Zeug mit Musik und Kino. Sie sollten eine große Messe im Freien abhalten, für alle.“