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„Tornado überm AKW“

■ 50.000 Italiener bildeten eine Menschenkette zwischen AKW und Militärflughafen / Protest gegen zivile und militärische Nutzung der Atomkraft / Autonome suchten erfolglos den Konflikt mit der Polizei

Aus Caorso Angela Jaenke

Der anstrengendste Teil der Demonstration war die Heimfahrt. Erst am Montag waren die Teilnehmer aus Neapel und Bari, aus Rom und aus Pascara wieder zu Hause und kamen erst dann dazu, sich über den Erfolg der Menschenkette zwischen dem Kernkraftwerk Caorso bei Brescia und dem Luftwaffenstützpunkt San Damiano klarzuwerden. 25 Kilometer mußten dazu überbrückt werden, „um die eindrucksvolle Nähe von friedlicher und militärischer Nutzung der Kernenergie zu zeigen“, so ein Einladungsmanifest. In der Tat: Italiens größtes Atomkraftwerk liegt zwar nicht gerade in Sichtweite, wohl aber in den Einflugschneisen für den Atomwaffenträger Tornado, der hier stationiert werden soll - ein hirnrissiges Unternehmen, wie selbst ökopax–ferne Experten zugeben. So symbolisierte die dichte Menschenkette zwischen den beiden Kernkraft–“Nutzungs“–Orten am Abend des „Tschernobyl– Sonntags“ nicht nur den Widerwillen der Italiener gegen jedwede Art der Kernkraftnutzung, sondern entlarvte auch die Sorglosigkeit der Nuklearplaner. Organisator war ein bunter Zusammenschluß unterschiedlicher Gruppen mit dem Namen „Comitati 26 aprile“, in dem Grüne, Umweltschutzverbände, kommunistische wie sozialistische Jugendgruppen und dazu katholische, evangelische und waldenser Kirchenkomitees zusammenarbeiten. Besonderheit: Die Autonomen, sonst am liebsten eingetaucht in die Bewegung und aus dem Verband heraus tätig, hatten es diesmal auf eine getrennte Kraftprobe angelegt. Sie waren gegen die Menschenkette und suchten in Caorso allein die Konfrontation mit der Polizei. Doch die, in Italien angesichts des großen Erfolgs der AKW–Gegner bei der Einleitung der Volksbegehren zur Abschaltung der Meiler längst keine Hardliner gegen Atommuffel mehr, haben ein „elastisches“ Konzept entwickelt, so daß es zu keinen größeren Raufereien kam. So konnte, wie beabsichtigt, aus der Veranstaltung zwischen Caorso und San Damiano „ein wahres Volksfest“ werden. Parolen wie „Nie wieder Tschernobyl“ oder „Sofortige Abschaltung von Caorso und allen anderen Zentralen“ gaben in der Tat auch nicht viel Kontroverses her. Die Entschlossenheit der Veranstalter, „diesen Tag friedlich zu begehen, freudig und im Bewußtsein, daß das Volk auf unserer Seite ist“, ließ sich den ganzen Tag über aufrechterhalten. Und dennoch: So ganz wohl ist am Montag morgen vielen nicht mehr, als sie die letzten Nachrichten lesen: Den Christdemokraten wird es nun wohl doch gelingen, das Parlament aufzulösen und so die Referenden hinauszuschieben. Die Atomfrage droht in der derzeitigen Regierungskrise zum Spielball der Parteien zu werden. Viele sehen jedenfalls nachträglich die Tatsache, daß als einziger Parteiführer der Chef der Mini– Gruppierung „Demokracia proletaria“, Mario Capanna, erschienen war, als Symbol für die abwartende Haltung der anderen Parteien an. Dennoch: Ein Beweis, daß Italiens erst junge Friedens– und Anti–AKW–Bewegung nach den ersten Demonstrationen vom Herbst in Rom weiter zusammengewachsen ist, war „Caorso 87“ allemal.

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