Trümpfe verloren

■ Der Abrüstungsentwurf der Sowjets

Jetzt liegt er vor, der Vertragsentwurf der UdSSR, den die Kanzlerrunde bisher so vermißte, um „sich ein endgültiges Bild“ zu machen. Und die Sowjetunion präzisiert ihre Vorstellungen genau in den Fragen, die von den Bonnern und anderen westlichen Abrüstungsgegnern für eine umfassende Rüstungskontrollösung in Europa schmerzen muß. Mit dem erneuten Zugeständnis, die Kurzstreckenwaffen separat oder auch zusammen mit den Mittelstreckenwaffen zu verhandeln, nimmt den Antiargumenten der letzten Tage Trümpfe aus der Hand. Mit der Forderung Todenhöfers und Dreggers, zwischen konventioneller Abrüstung und Mittelstreckenraketen ein Junktim herzustellen, scheint ein Keil in die Koalition getrieben. Auch wenn Genscher seine Äußerung dementiert, man stehe in der schwierigsten Situation seit 1982, kann er an diesem Punkt nicht weiter nachgeben. Denn nicht zuletzt er war es, der in Moskau für eine neue Abrüstungs–Initiative warb. Um eine Ablehnung der sowjetischen Vorschläge in der Öffentlichkeit noch zu verkaufen, bliebe der Regierung nur noch das „gemeinsame Haus Westeuropa.“ Da aber der Rücken der Franzosen und der Engländer gar nicht so breit ist, schlägt jetzt die Stunde der Opposition. Die SPD will den Konflikt ins Parlament tragen. Der Friedensbeweung und den Grünen stünde es gut an, einmal wieder die Straße zu nutzen. Die historischen Chance für eine Verringerung des nuklearen Gefahrenpotentials in Europa darf nicht vergeben werden. Erich Rathfelder