Großangriff auf die Kaufkraft der „Euro–Yuppies“

■ Münchner Marketing–Firma definiert „fünf neue, einkommensstarke Verbraucherzielgruppen in Westeuropa“ / Vermarktungspläne für die nächsten 40 Jahre / Ältere Käufer bekommen neues Image / „Postmaterialisten“ spielen als Konsumverweigerer keine Rolle

Von Imma Harms

Als Werbeträger für die begehrteste aller Konsumentenzielgruppen, die Yuppies (Young Urban Professionals), kommt die taz wohl fürs erste nicht in Frage. Zwar ist auch unter den taz–Leser/ innen die umworbene Gruppe der 20– bis 40jährigen mit einem Brutto–Gehalt von über 3.500,– DM mit 30 noch, laut taz–eigener Leserumfrage, die anderen Merkmale, die sie zu idealen Trend–Setter–Konsumenten qualifizieren: „Positive Grundeinstellung, optimistische Einschätzung der Zukunft, wenig Interesse und Beschäftigung mit politischen und kulturellen Aspekten, emotionsarm, ichbezogen und materialistisch, Orientierung an äußerlichen Attributen, voller Selbstvertrauen, ausgeprägtes Streben nach Erfolg, Demonstration des erzielten Erfolges und Status“. So nämlich definiert die Münchner Management– Beratungsfirma Höfner & Partner die neue Zielgruppe der „Euro– Yuppies“. Mit der Studie „Fünf neue, einkommensstarke Verbraucherzielgruppen in Westeuropa“ bereitet das Unternehmen einen international zugeschnittenen Großangriff auf die Geldbeutel der jeweils Bestverdienenden aller Altersstufen vor. Motivation für die Studie ist die Tatsache, daß sich die Konsumenten in der Bundesrepublik in einem „dramatischen Altersstrukturwandel“ (Studie) befinden. Die Gruppe der Kaufkräftigen, die heute auf etwa eine viertel Million geschätzten Yuppies, wird sich in 40 Jahren um 30 Rechnung gestellt. Für die Werbebranche und vor allem für die Konsumgüter–Industrie stellt sich also die Frage: Wer hat das dicke Geld in zwanzig, dreißig, vierzig Jahren, und wie macht man es locker? Von Vorteil ist für diese Unternehmen, daß sie zum größten Teil international organisiert sind und die Werbeindustrie ihre Feldzüge länderübergreifend führen kann. Entsprechend nimmt die Studie die neuen Zielgruppen auch europaweit ins Visier. Angenehme Begleiterscheinung: die Altersverschiebungen der Kaufkraft gleichen sich im europäischen Maßstab zumindest teilweise wieder aus. In der Zielgruppe der Yuppies wird nach den optimistischen Prognosen der Marketing–Firma in geburtenstarken Ländern wie Spanien, Griechenland oder Irland innerhalb der nächsten vierzig Jahre ein Zuwachs von zehn bis 20 abschöpfbaren Geldmassen in jungen Händen um 15 bis 20 Grund genug, den „Euro–Yuppie“ zu kreieren und ihn „mit definierbaren Mediakombinationen in Westeuropa einheitlich anzusprechen“ (Studie). Doch selbst diese streng zielgruppenorientierte Vermarktung trend–bestimmter Kaufkraft ändert nichts an der Tatsache, daß die Masse der Begüterten mit der Zeit alt wird und andere Produkte braucht. Hier warnt die Studie vor dem Kardinalfehler, die gutbetuchten Älteren etwa als „Senio ren“ anzusprechen. Das ist immer noch mit Gewißheit der Weg, selbst auf maßgeschneiderten Produkten sitzenzubleiben. An Reiseveranstaltungen, die unter dem Stichwort „Seniorenpro gramm“ laufen, will niemand teilnehmen, wird in der Studie berichtet. Lautet das Stichwort „Studienreise“, sieht es schon anders aus. Ein US–Konzern, der in den 60er Jahren leicht verdauliche „Senioren–Nahrungsmittel“ ver markten wollte, erlitt ebenfalls eine Pleite. Die Zielgruppe deckte ihren speziellen Bedarf weiter durch den Kauf von Baby–Nahrung. „Das hatte den psychologischen Vorteil, daß man sich dabei nicht als Randgruppen–Nachfrager zu erkennen geben mußte, sondern vorgeben konnte, die Produkte seien für die Enkelkinder bestimmt.“ (Studie) Wichtig ist also, ein neues hübsches Konsumenten–Image für die älteren Käuferschichten zu schneidern - die Studie unterteilt sie in die „Perspektivensucher“ (45 bis 60 Jahre), die „Nachkarrieristen“ (55 bis 64 Jahre), die „jugendlichen 60er“ und die „aktiven 70er“ - und sie trotzdem als die anvisierte Altersklasse nicht direkt anzusprechen. Die Tatsache, daß das Einkommen der in 20 bis 40 Jahren alten Menschen durch die löchrige Rentenfinanzierung alles andere als gesichert ist, tut dem Optimismus der Marktforscher keinen Abbruch. „Unsere Zielgruppen finanzieren sich im Alter weitgehend aus eigenem Vermögen“, erklärt Dr. Bauer von der Beratungsfirma gegenüber der taz, und das könne auch in einigen Jahrzehnten noch als sicher angesehen werden. „Natürlich können wir unsere Prognosen immer nur unter der Prämisse machen, daß es keine grundlegenden Veränderungen gibt“, erläutert Bauer weiter. An den Rändern der Zielgruppen der gutsituierten Mitbürger ließe sich aber auch immer noch zusätzliche Kaufkraft aus einkommensschwächeren Schichten abschöpfen. Dieses Potential ist unter der Kategorie der „hybriden Konsumenten“ erfaßt. Das sind diejenigen, die „Wurst bei Aldi holen“ (Bauer), um sich einen als Statussymbol ersehnten „Premiumartikel“ (teurer Markenartikel) leisten zu können. Die Gruppe der „Postmaterialisten“, der hartnäckigen Konsumverweigerer, spielt übrigens nach Aussagen von Bauer in den Prognosen keine Rolle mehr. Diejenigen, die zum Teil aus eigener Entscheidung wenig Geld verdienen, ihrer Karriere wenig Beachtung schenken, in Bio–Läden einkaufen und mäkelig sind, was die Herkunft der Waren betrifft, werden in Zukunft weder als relevantes Marktsegment umworben noch als „opinion leader“ gefürchtet. Sie werden vom narzistisch bestimmten Kaufrausch der neuen Trend–setter einfach weggeschwemmt.