Eine grüne Wolke über Englands Mitte

■ Wie eine Giftwolke über Mittelengland administrativ aufgelöst wurde: phänomenal

London (taz) - „Eine 70 km breite grünliche Gaswolke unbestimmten Ursprungs ist am Mittwoch rund 65 km in südlicher Richtung über Mittelengland gezogen. Einer Erklärung der staatlichen Gesundheitsbehörde zufolge wird die Wolke, die sich vom Boden bis in 1.200 m Höhe erstrecke, gegenwärtig untersucht. Bei Kontakt ruft die Gaswolke eine Reizung der Augen hervor. Die Polizei empfahl der Bevölkerung in den Häusern zu bleiben.“ So AP am Mittwoch. „Giftgaswolke über Mittelengland?“ Davon scheint im Londoner Umweltministerium noch niemand etwas gehört zu haben. „Rufen Sie doch mal bei unserem Regionalamt in Birmingham an.“ Aber auch dort haben die Beamten von einer Gaswolke weder gehört noch sie gerochen. Wenn das aus einer Fabrik komme, sei ohnehin die staatliche Gesundheitsaufsicht zuständig. „Ah, die Giftgaswolke, Ich habe gerade mit einem gesprochen, der darüber mehr weiß“, sagt mir der Pressemann der Aufsichtsbehörde. Was der gesagt hat? „Man weiß nicht genau, wo sie herkommt. Man vermutet, es habe sich um ein seltenes Wetterphänomen gehandelt.“ Eine erhöhte Schwefeldioxid– Konzentration der Luft als Wetterphänomen? Ja, meint er, die außergewöhnliche Wetterlage zusammen mit den „Normalemissionen“ der Kraftwerke im Tal des Flußes Trent könnten die tiefhängende Wolke produziert haben. Auf eine ähnliche Theorie ist auch der Lokalreporter vom „Leicester Mercury“ gestoßen. Eine Smogwolke, die von Edinburgh in den Süden gewandert sei. Die realen Wirkungen des Phänomens verspürten nur die Bürger von Leicester, die vorgestern kaum aus den Augen gucken konnten. Die Frau eines Kneipenwirts habe sogar Ausschlag bekommen, berichtet der Reporter. Aber 70 km lang sei die Wolke bestimmt nicht gewesen, höchsten zehn. „Es war mit ziemlicher Sicherheit ein natürliches Phänomen“, sagt auch der Mann aus der Umweltabteilung der Lokalbehörde. Kraftwerke gehören im Trent Valley wohl schon zur Natur. Die administrative Auflösung der Wolke war jedenfalls erfolgreich. Weder „Friends of the Earth“ noch die „Nationale Gesellschaft für eine saubere Luft“ wissen Näheres über den Schwefeldioxid–Nebel, der die Sicht auf der meteorologischen Station von Nottingham auf ein paar hundert Meter reduzierte. Die Meteorologen wußten von einer ungewöhnlichen Wetterlage allerdings gar nichts. „Das war mit Sicherheit vom Menschen verursachte Umweltverschmutzung“, so vermutet der Pressesprecher der Wetterfrösche. Rolf Paasch