: Frauenpolitik ist harte Arbeit
■ Zum Thema „Die Frau in Politik und Beruf“ diskutierten in Bremen Rita Süssmuth, CDU–Familienministerin, Adrienne Goehler, Hamburger GAL–Abgeordnete und die Hochschullehrerin Heide Pfarr, SPD
Die CDU–Idealfrau hat wegen zweier Kinder gerade ihre Teilzeitarbeit aufgegeben, dafür die Schwiegermutter gern ins Haus genommen und ist im Kirchenkreis oder der Nachbarschaftshilfe aktiv. Die Traumfrau der SPD ist 35 Jahre alt, Gewerkschaftsmitglied und Bindestrich– Partnerin ihres Mannes, der am Wochenende kocht. Ihre Mutterschaft ist sozial abzusichern und nach dem Mutterschaftsurlaub neben dem Kurs für Neue Technologien und der Betriebsgruppe zu erledigen. So faßte Adrienne Goehler, Hamburger GAL–Abgeordnete, ihr Frauenbild von SPD - „egalitär“ - und CDU - „komplementär“ - zusammen. „Zwischen zwei hochkarätigen Ladies“ und moderiert vom zweiten Bremer Bürgermeister, Dr. Henning Scherf, fand sie sich am Donnerstagabend im alten Bremer Rathaussaal - Frauenministerin Dr. Rita Süssmuth zu ihrer Linken und Arbeitsrechtlerin Dr. Heide Pfarr zu ihrer Rechten. Die Sozialdemokratin Heide Pfarr nahm Rita Süssmuth zuerst aus und deren Partei dann aufs Korn: „Die CDU Frauen– und Familienpolitik, die beides nicht getrennt denken kann, orientiert sich am männlichen deutschen Normalmenschen.“ Mit ihrem Sachverstand als Juristin argumentierte sie gegen Beschäftigungsförderung, Erziehungsgeld, Steuergesetzgebung, gegen Babyjahr und Scheidungsfolgerecht der CDU: „Kinder sind nur in Zuord nung zu Mann und Ehe möglich, und das Ausscheiden aus der Erwerbsarbeit wird gefördert.“ Und daß Wählerinnen das auch noch honorieren, so Heide Pfarr, „ist dann vielleicht das Verdienst der Frau Ministerin Süssmuth.“ Die Ministerin kam realpolitisch stolz und perspektivisch bescheiden daher: „Wir haben die Frauenförderpläne in der letzten Legislaturperiode eingeführt, aber Frauenpolitik ist verflixt harte Arbeit.“ Mehr sozialversicherte Teilzeitarbeitsplätze solle es geben, fand die Ministerin. Und mit Rentenreform, Erziehungszeit und Arbeitsförderungsgesetz solle täglich ein kleines Stück Frauenalltag verändert werden. „Nicht die Politik, die Frauen haben sich verändert“, und schon 7.000 Männer nähmen Erziehungsgeld in Anspruch. Ganz typisch, daß es zum Thema Frau und Beruf immer wieder um Kinderbetreuung gehe, fand Adrienne Goehler. „Ich möchte über Emanzipation reden. Über meine Lage als Öko–Lady nach Tschernobyl. Entweder beiß ich emanzipiert–berufstätig in meinen Big Mac, oder ich lebe gesund von Selbstgebackenem und bin ans Haus gebunden!“ Die Frauen im Publikum richteten sich aber immer wieder an die Ministerin: „Wenn es nach der CDU–Politik ginge, müßte eine Frau für 1.000 Mark Rente 400 Kinder bekommen und aufziehen“, rechnete eine Lehrerin vor. Und, als eine Kaskade von Enttäuschungen, die Themen Frieden und Gesamtschulen, Umverteilung der Haushalte und weibliche Armut, vor allem aber: der Paragraph 218 und die Wahlversprechen. „Ich fühle mich von Ihren Erwartungen überfordert“, bekannte die Ministerin und bekam dafür prompt ihren einzigen starken Beifall. „Wenn Sie aber die Abschaffung des § 218 fordern wollen, dann frage ich mich, wie Sie als nächstes mit geborenem, vielleicht behindertem Leben umgehen werden! Wenn es um ungeborenes Leben geht, kann es keine Selbstbestimmung der Frau geben.“ Nur die Hände der wenigen Christdemokratinnen rührten sich, als Rita Süssmuth dann den Saal verließ. Susanne Paas
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen