: Risikofaktor Mensch
■ Verfassungsschutzkontrolle bei Siemens
In einem modernen Staat ist die Frage der Macht wesentlich durch die Herrschaft über die Kommunikation mitbestimmt. Und öffentliche Kommunikation ist fast ausschließlich technisch vermittelt. Die Gewährleistung der „inneren Sicherheit“ wird somit zum Problem, die Kommunikationstechnik gegen staatsfeindlichen Einblick oder Zugriff abzusichern. Mit wachsender Komplexität des Kommunikationsnetzes z.B. durch Rechnerverbund–Systeme oder integrierte Datennetze (ISDN) wird es immer schwieriger, diese Aufgabe von der technischen Seite zu lösen. Was nützen ausgeklügelte Sicherheitssysteme, wenn sie in staatsfeindliche Hände geraten? Der Risikofaktor sind die Menschen, die sie entwerfen und zusammenbauen. Die Post als Verwalterin der Herrschaft über die Kommunikation will deshalb das Mitstricken am empfindlichen Nervensystem der Staatsmacht an der Quelle kontrollieren lassen und bittet ihre Zulieferfirmen (Siemens ist nur eine unter vielen), sich bei Einstellung der „Erkenntnisse“ des Verfassungsschutzes zu bedienen. Wer gegen die Volkszählung demonstriert, dem sollte man keine Pläne über eine ISDN–Schaltzentrale mehr in die Hand geben. Trotzdem ist fraglich, ob das Kontrollnetz aus Post, Verfassungsschutz und Elektronikindustrie durch solche Staatsfeind–Jagden die Probleme des Machterhaltens nicht noch vergrößert. Wer bisher nur brav seine Schaltschränke zusammengelötet hat, mag sich durch das Bekanntwerden der Überprüfungen erst seiner Möglichkeiten bewußt werden. Die anfälligen Stellen des technisierten Machtgefüges sind unübersehbar, Hunderttausende von Menschen haben mit seiner Produktion zu tun, und solange man nicht in ihre Köpfe sehen kann, kann man nicht ausschließen, daß sie das Schräubchen nicht doch irgendwann mal verkehrt herum reindrehen. Imma Harms
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