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Japan steckt in der Zins–Zwickmühle

■ Zinssenkung soll Export sichern, bringt aber Inflationsgefahr

Von Ulli Kulke

Nachdem seit längerem erwartet wird, daß die japanische Wirtschaft im laufenden Jahr in Rezession und Arbeitslosigkeit trudeln wird, tut sich nun eine neue Problemfront auf: die Inflation. Eine jetzt angekündigte Zinssenkung Tokios zur Sicherung der japanischen Außenhandelsposition schürt diese Gefahr. Um den Kurs des japanischen Yen gegenüber dem US–Dollar nicht in den Himmel wachsen zu lassen, was japanische Exporte erschweren (da verteuern) würde, will Notenbankchef Sumita ausländische Anlagen in Yen weniger attraktiv gestalten. Trick siebzehn in diesem Fall: Die kurzfristigen Zinsen sollen gesenkt werden, wie Sumita jetzt erklärte. Den Diskont– (leit)zins, zu dem die Banken bei der Zentralbank Kredite aufnehmen können, will man indes nicht verändern. Dies ist für Japans Wirtschaftspolitiker insofern unangenehm, als gerade in der letzten Woche die Insel–Statistiker einen dramatischen Anstieg der Geldmenge im Lande signalisierten (allein im April um 9,8 Prozent). Eine Verbilligung der Kreditaufnahme wegen niedrigerer Zinsen könnte diese Entwicklung noch schüren. Die Ausweitung der Geldmenge ergab sich dabei nicht allein durch das bereits jetzt darniederliegende Zinsniveau (der Diskontsatz liegt bei 2,5 Prozent). Entscheidend bei der Geldmengenausweitung war vielmehr, daß die japanische Zentralbank in den vergangenen Monaten haufenweise Dollars aufgekauft und in Yen bezahlt hat, um die US–Währung nicht zum Schrecken für den eigenen Export ins Bodenlose fallen zu lassen. Die Devisenreserven der Zentralbank erhöhten sich dabei von 42,2 Milliarden Dollar Ende Dezember 1986 auf 68,6 Milliarden Dollar Ende April 1987. Entsprechend mehr Yen aus den ehemaligen Beständen Sumitas zirkulieren demgemäß im Lande. Was die Sache erst richtig schwierig macht: Die umlaufenden Yen werden wegen der anstehenden Rezession nicht produktiv angelegt, sondern in Aktien, Obligationen, Optionen und dergleichen mehr investiert. Mehr Geld also, aber nicht mehr Produktion, die klassische Ausgangslage für inflationäre Tendenzen. Ob allerdings die Zinssenkung das Auf des Yen und das Ab des Dollar verhindern kann, ist unsicher.Bereits jetzt beträgt die Differenz sechs Prozentpunkte, und trotzdem fließen die Gelder westwärts über den Pazifik.

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