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Grüne U–Boot–Mannschaft soll auftauchen

■ Politische Parteien neigen zu Dummheit und besitzen kaum innere Antriebe der Erneuerung

Bei den Hessenwahlen hat eine taktische Variante der Grünen eine herbe, wenn auch denkbar knappe Niederlage erlitten, die Grünen selber aber hatte es nicht erwischt. In Hamburg nun ist die GAL nach zweistelligen Ergebnissen wieder nahe bei der Fünf–Prozentklausel gelandet. Das definitive Versagen der „Hamburger–Tolerierungslinie“ in den letzten Monaten und ihre starrköpfige Fortsetzung im Vorfeld der Neuwahlen hat die Wählerbasis der GAL erschüttert. Nach den Hessenwahlen zeichnete sich für die Grünen eine politische Krise ab, weil der attraktivste parlamentarische Weg zumindest vorläufig in die Sackgasse geführt hatte. Der Duisburger Parteitag hat diese Krise durch linkes Gehabe zu übersprechen versucht. Jetzt, nach den Hamburger Wahlen, ist die Krise da. Die Grünen laufen offensichtlich Gefahr an den Rand des parlamentarischen Spektrums gedrängt zu werden. Die politische Landschaft ist wieder in Ordnung und hat einen grünen Tupfer bekommen, der das schwarz–rot– gelbe Gesamtbild der Bundesrepublik nicht weiter stört. In dieser Konstellation aber ist noch nicht mal das mittelfristige Überleben der grünen Partei gesichert. Nun wird es wirklich langsam Zeit, die vielbeschworene „Strategiedebatte“ zu führen, nicht nur als Parteidebatte, sondern als Debatte über die Perspektiven der Linken in diesem Land. Glück und historischer Zufall Das Zusammenspiel der drei „Altparteien“ in wechselnden Konstellationen beginnt wieder zu funktionieren und den Grünen bleibt kein Part dabei. Damit wäre sie auf die Rolle der Bekenntnis– und Protestpartei zurückgeworfen und die ist, solange die parlamentarische Demokratie ihre Integrationsleistung vollbringt, ziemlich frustrierend. Für die Wählerbasis sowieso und für die Parteibasis auf die Dauer auch. Der Weg von der SPD zu den Grünen ist keine Einbahnstraße, wie Hamburg zeigt. Bei Gründung und Erfolgen der Grünen stand immer schon eher Glück und historischer Zufall Pate denn Verstand und Weitsicht der Linken. Ohne den CDU–Ausrücker Gruhl wäre es zur Gründung als Wahlverein wahrscheinlich nie gekommen und hätten sich die damals noch existierenden größeren linken Organisationen einschalten wollen und können, wäre das Desaster nicht zu vermeiden gewesen. Zusätzliches Glück brachten der Regierungswechsel in Bonn und der marode Zustand der SPD, die die Bundestagswahlen von 1983 nach links hin zur reinen Zählwahl machte und die Grünen ins Parlament spülten. Nicht viel mehr als historischer Zufall war es auch, daß Gründung der Grünen und Neuwahl in Bonn in einen Zeitraum fielen, in dem Anti–AKW–Bewegung, Friedens– und Frauenbewegung eine Breite erreicht hatten, die ihre Auffassungen weit über die Reihen der Aktivistinnen und Aktivisten attraktiv machten. Niemals vor 1983 hatte all das, was mit 1968 gesellschaftlich in Bewegung gekommen war, den Grad an Verbreitung gefunden, um bei Wahlen als Resonanzboden für eine selbständige Präsenz im Parlament dienen zu können. Dazu kamen dann die „hessischen Verhältnisse“, die den Grünen weit über ihre parlamentarische Stärke hinaus Einfluß auf die Richtung der Regierungspolitik eröffneten, den es nur einigermaßen klug zu nutzen galt. Die Erfolge der Grünen, die die Linke eher überrascht haben, hatte sie doch nur wenig zu ihnen beigetragen, erlaubten eine ganze Reihe von Problemen und Schwächen der „Anti–Parteien–Partei“ zu verdecken. Das wird jetzt nur noch auf Kosten des politischen Verstandes möglich sein. Der heftige Streit zwischen Realpolitikern und Fundamentalisten konnte ja nur entbrennen, weil mehr hinter ihm steckt als der Streit um zwei taktische Varianten für eine spezielle parlamentarische Konstellation. Und er kann nur solch verbohrte Formen annehmen, weil die wirklichen Probleme nicht zur Sprache kommen. Systemfrage im Alltagsleben Einige Beispiele für solche Probleme, die sämtlich auf unlösbare Dillemmata hinauslaufen, wenn sie in– und außerhalb der Partei keine Bewegungsform finden, sondern in polaren Gegensätzen fixiert werden. Die Fundamentalisten pflegen sich auf die Bewegung zu berufen, wenn sie gefragt werden, wie etwas zu erreichen sei. Die Realpolitiker sagen dann, daß die Bewegung allein auch nichts erreichen könne. Das wirkliche Problem ist, daß gesellschaftliche Bewegung viel komplexer ist: neben den Aktivisten und ihren Ideologen gibt es Leute, die erst umzudenken beginnen und vielleicht mal gerade bereit sind, den Grünen ihre Stimme zu geben, wenn nicht allzuviel allzuplötzlich auf einmal passieren kann. Im übrigen leben sie vielleicht ökologischer und friedfertiger als mancher Bewegungsaktivist. Reell liegt dieser Komplexität der Bewegung das Problem zugrunde, daß schon das normale Funktionieren des Industrialismus die Erde unausweichlich und schnell zugrunde zu richten droht und gleichzeitig alle in ihrem Alltagsleben doch mehr oder weniger unmittelbar von seinem normalen Funktionieren abhängen und nicht von heute auf morgen aussteigen können. Neben der Gefahr der ökologischen Katastrophe gibt es auch die des gesellschaftlichen Kollapses. Die meisten haben sowohl vor dem „Treibhauseffekt“ wie vor einem Zusammenbruch der Automobilindustrie Sorge. Selbst wenn das falsch wäre, ließe es sich durch gutes Zureden nicht ändern. Fundamentalisten neigen immer noch dazu, die „Systemfrage“ in erster Linie als Frage nach den ökonomischen und politischen Formen zu stellen, dabei hat sie längst sämtliche Formen des Alltagslebens durchdrungen. Gerade deshalb kann sie nicht mehr durch Enteignung und Zerschlagung gelöst werden, denn Kapital und Staat sind gegenüber dem Alltagsleben keine äußerlichen Formen mehr. Mit der „Systemfrage“ wird gleichzetig immer zuwenig und zuviel in Frage gestellt. So wird sie irrelevant, wie man in Duisburg bei der Debatte über die Stahlindustrie miterleben konnte. All dies sind Probleme, die sich der gesellschaftlichen Bewegung selber stellen: Mit den Versprechen einfacher Lösungen ist nur Schaden anzurichten und ideologische Polarisierung verringert die Chanchen wirklicher Veränderung. Das Pech der Grünen ist, daß sie als parlamentarische Partei nicht gerade die bestgeeignete gesellschaftliche Institution sind, um sich solchen Problemen überhaupt zu stellen. Soviel sie von Diskussion und Konsensbildung auch reden, die Grünen stehen unter den Entscheidungszwängen einer parlamentarischen Partei, stehen ständig unter dem Druck polarisch sich in Mehrheit und Minderheit zu gruppieren und diesen Mechanismen wird meist schon im Vorfeld von Entscheidungen jedes Argumentieren instrumentell unterworfen. Politische Parteien neigen dazu, sich zum Vollstreckungsapparat auszubilden, neigen zu Dummheit und besitzen kaum innere Antriebe der Erneuerung. Rot–grün als Abkürzung zum Beginn grundlegender Veränderungen, ist inzwischen weitgehend verbaut, auch durch die Grünen selbst. Das kann, muß aber nicht die Verknöcherung der Grünen beschleunigen. Entscheidend wird nicht die innere Entwicklung der Grünen sein oder gar der Aufbau von politischen Ersatzorganisationen, entscheidend wird sein, ob in der Öffentlichkeit wie in der gesellschaftlichen Sphäre ein günstiges Umfeld entsteht, das die Partei stabilisiert und ihre Bedeutung nicht verbal herabsetzt sondern tatsächlich relati viert. Die Grünen sollten in ein vermittelteres Abhängigkeitsverhältnis von gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen gebracht werden als in den Druck von Wahlergebnissen. In Berlin wird ironisch–ernsthaft an eine Neugründung des Republikanischen Clubs gedacht. Das könnte auch anderswo was bringen. Eine grünnahe Stiftung könnte einen intellektuellen Schub bedeuten. Man muß diese grüne U–Boot–Mannschaft zum Auftauchen reizen. Jetzt, da der verfehlte Grundsatzstreit über situationsbedingte taktische Varianten überholt ist, wird sich erst zeigen, was sie konzeptionell zu bieten hat und was die Strömungen wirklich ausmacht. Da nicht viel im Sack ist, wird ein Blick aus dem Fenster und der eine oder andere Spähgang unvermeidlich.

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