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NullNull: Sanfter Druck aus USA

■ US–Diplomat: Entscheidung über Null–Lösung auch ohne Einigung mit den Europäern möglich / USA lehnen neues Gorbatschow–Angebot über Abzug der asiatischen Atomraketen ab / Keine Einigung in Paris

Brüssel/Paris/Bonn (dpa/ taz/ap) - Die US–Regierung wird ihre Position bei den Verhandlungen mit dem Kreml über die Abrüstung von Mittelstreckenwaffen in Europa notfalls auch festlegen, ohne daß sich die NATO–Verbündeten zuvor auf eine gemeinsame Haltung geeinigt haben. Ein hochrangiger NATO–Diplomat der USA sagte am Donnerstag in Brüssel: „Die Entscheidung über die Verhandlungsposition der USA zur doppelten Null–Lösung ist eine Entscheidung von Präsident Reagan.“ Gleichzeitig wies das Weiße Haus das Angebot des sowjetischen Parteichefs Gorbatschow zurück, alle sowjetischen Mittelstreckenraketen des Typs SS 20 in Asien im Tausch für einen Rückzug der amerikanischen Raketen aus Japan, Südkorea und den Philippinen abzuziehen. Ohne den Streit um die doppelte Null–Lösung innerhalb der Bundesregierung direkt zu erwähnen, sagte der US–Diplomat, er „hoffe“, daß die Verbündeten zu einer gemeinsamen Haltung fänden. Andernfalls sei eine Entscheidung auch ohne Einigung der Verbündeten untereinander vorstellbar. „Keiner unserer Alliierten könnte uns vorwerfen, nicht versucht zu haben, einen gemeinsamen Standpunkt zu finden.“ Ohne völlige Einigung blieb es bis zum Abschluß der zweitägigen deutsch–französischen Konsultationen in Paris. Immerhin nannte der französische Staatspräsident Mitterrand die Abrüstung der Mittel– und Kurzstreckenraketen „eine gute Initiative“. Er fügte jedoch hinzu, daß die Bedingungen noch untersucht werden müßten, und Frankreich werde den Beschluß der Bundesrepublik abwarten, bevor es die eigene Entscheidung bekanntgebe. Fortsetzung Seite 2 Mit soviel Rückenwind dürfte auch Bundeskanzler Kohl nicht mehr vor dem Bekenntnis zur „doppelten“ Nullösung bei seiner Regierungserklärung am 6. Juni zurückschrecken. „Ich bin für die Abrüstung der Raketen mit Reichweiten von 500 bis 1.000 km,“ sagte Kohl in Paris, und ging auch hier seinen inzwischen bekannten kleinen Schritt weiter: „Doch wenn wir über die Raketen von 500 bis 1.000 km reden, müssen wir auch über die Raketen von 0 bis 500 km reden.“ Kohls Überlegungen zu einer „dreifachen“ Nullösung erzeugten in Paris offensichtlich Unbehagen. „Die Frage einer dreifachen Nullösung stellt sich nicht, denn sie liegt auf dem Verhandlungtisch von Russen und Amerikanern“, erklärte Mitterrand dazu knapp. Die Abrüstung US–amerikanischer Kurzstreckenraketen in der Bundesrepublik könnte aus Pariser Sicht ungünstige Vorraussetzungen für die Diskussion um eine Stationierung französischer Raketen dieser Art auf deutschem Boden schaffen. Währenddessen betonte der stellvertretende CDU/CSU– Fraktionsvorsitzende Rühe bei der Aktuellen Stunde im Bonner Bundestag zur Abrüstung noch einmal, daß bei einer Null–Lösung für die Reichweite 500 bis 1.000 die 72 alten Pershing 1a–Trägersysteme der Bundeswehr und ihre unter USA–Kontrolle stehenden Atomköpfe ausgenommen bleiben müssen. Das Wiedervereinigungspapier seines Fraktionskollegen Friedmann tat er als dessen persönliche Meinung ab. Verheugen erklärte, die Debatte habe das bisherige Bild vom Abrüstungschaos in der Koalition noch einmal bekräftigt. Beifall von der Opposition erhielt auch Hildegard Hamm–Brücher (FDP), die sich dafür einsetzte, mögliche Abrüstungsregelungen nicht durch Junktims zu belasten.

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