: Der gescheiterte Versuch, einen Dialog herzustellen
Der ungewöhnliche Versuch der fünf Brüder des ermordeten Bonner Diplomaten, auf den Bekennerbrief der Mörder öffentlich zu antworten, stieß zunächst auf wenig Zustimmung. Der Staat, die Bonner Regierung hatte sich bereits zuvor festgelegt und auf den Mord an Gerold von Braunmühl mit einem Paket neuer Sicherheitsgesetze reagiert. Schließlich befand sich die Republik gerade im Bundestagswahlkampf. Eine öffentliche Reaktion, geschweige denn eine politische Diskussion der Bonner Parteien über diesen ungewöhnlichen Versuch einer Auseinandersetzung mit politischem Mord unterblieb. Auch von Seiten der Grünen gab es keinen Versuch, die Sprachlosigkeit zu durchbrechen. Nur Einzelne wie Otto Schily, Antje Vollmer oder Dany Cohn–Bendit bildeten da eine Ausnahme. Der Mitarbeiter und Jahrgangskollege Gerold von Braunmühls in der Diplomatenschule, Michael Engelhardt, nannte den Brief der Brüder „das einzige Zeichen der Humanität“, das im Zusammenhang mit dem Anschlag sichtbar geworden sei. Ganz im Gegensatz zur Reaktion mancher Politiker, die „Menschliches sofort in Taktisches umdeuten“. Wie waren die Reaktionen in der Presse? Ausgerechnet die Boulevardzeitungen von Bild bis Münchner AZ machten aus dem „Brief an die Mörder“ in großen Lettern Aufmacher, zitierten ausführlich und enthielten sich weitgehend jeder Kommentierung. Frankfurter Rundschau und Süddeutsche hingegen brachten zunächst lediglich Kurzmeldungen - die FR griff dann sechs Wochen später das Thema mit einem ausführlichen positiven Bericht noch einmal auf. Einzig für die Welt war von vornherein klar, was von diesen Brüdern und ihrem Versuch zu halten sei. Die Attacke des Redakteurs Günter Zehm, Pseudonym Pankraz, gipfelte in dem Satz: „Wer sich mit den Terroristen außerhalb der Gerichte einläßt, setzt das Ansehen der Opfer aufs Spiel, schadet der Demokratie und dem Rechtsstaat.“ Selbst die FAZ kommentierte vier Tage nach dem ersten Brief an die RAF den Vorgang positiv, als „Versuch, den gewalttätigen Adressaten mit Argumenten zu begegnen“. Falls die RAF Argumenten überhaupt zugänglich sei, rätselte FAZ–Kommentator Reu, „müßte der Brief der Brüder des Ermordeten sie betroffen machen“. Erst jetzt, ein halbes Jahr nach dieser ersten Stellungnahme, änderte sich die Haltung der FAZ: Im Vorfeld der Gustav– Heinemann–Preisverleihung. In ihrer Ausgabe vom 19. Mai kommentierte „Rm.“: „Einen solchen Brief hätten die Brüder nie schreiben dürfen. Schon das vertrauliche „Ihr“ war verfehlt. Nun bekommen die Briefeschreiber auch noch den Gustav–Heinemann–Preis. Der stellvertretende SPD–Vorsitzende Rau soll ihn überreichen. Hoffentlich lehnt er ab.“ Möglicherweise hat bei dieser 180 Grad–Wendung der FAZ der zweite Brief der Braunmühl–Brüder eine Rolle gespielt. Denn darin werden explizit die neuen Sicherheitsgesetze als falsche Reaktion auf den Mord bezeichnet. Umgekehrt waren denn auch einige linke Kritiker nach dem zweiten Brief diesem Versuch einer politischen Auseinandersetzung auf einmal wohlgesonnen. Es könnte sein, daß links wie rechts Übereinstimmung soweit existiert, daß einer politischen, nicht–juristischen Auseinandersetzung mit der RAF zumindest ideologische Bekenntnisse vorausgehen müssen. Und wenn die nicht dem Weltbild des jeweiligen politischen Lagers entsprechen, dann werden sie wechselseitig diffamiert.
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