: Zimbabwe: Kein Atem für neue Perspektiven
■ Sieben Jahre nach der Unabhängigkeit nehmen die politischen Spannungen im einst als Modell für Südafrika gerühmten Zimbabwe zu / Erfolge bei der Steigerung des Lebensstandards, aber Korruption und Bürokratisierung an allen Ecken und Enden / Reformen werden durch steigende Verteidigungsausgaben gebremst
Von Christoph Fleischer
„Anschläge auf ANC–Einrichtungen in der Hauptstadt Harare“ - „Einigungsgespräche zwischen Mugabe und Nkomo gescheitert“ - „Kauf von sowjetischen Kampfflugzeugen dementiert.“ So lauten die Schlagzeilen der zimbabwischen Zeitungen in der vergangenen Woche. Sieben Jahre nach der Unabhängigkeit nehmen in dem südafrikanischen Frontstaat Zimbabwe sowohl innen– wie außenpolitische Spannungen zu. Dabei hat die Regierung Mugabe durchaus Erfolge vorzuweisen. Ein Basis–Gesundheitsdienst wurde aufgebaut, der auch in nur dünn besiedelten ländlichen Gegenden eine Grundversorgung für alle gewährleistet. Für mehr als die Hälfte der Bevölkerung, die weniger als umgerechnet 165 Mark monatlich verdient, ist sie kostenlos. Mit erheblichem finanziellen Aufwand wurden die landwirtschaftlichen Informations– und Beratungsdienste, die vor 1980 allein den weißen Großfarmern offenstanden, auch für die 800.000 schwarzen Kleinbauern zugänglich gemacht. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten: Die ehemaligen Subsistenzbetriebe produzieren heute mehr als die Hälfte der jährlich gehandelten Mengen des Hauptnahrungsmittels Mais. Auch in der Baumwoll– und Ölsaatproduktion wurden die Erträge enorm gesteigert. Die Speicher sind trotz einer neuen Trockenperiode gut gefüllt: Zimbabwe hat Überschüsse von über zwei Millionen Tonnen Mais. Auch die Verbesserungen im Bildungswesen sind auf den ersten Blick frappierend. Besuchten 1979 lediglich 850.000 Schüler eine Primarschule, so sind es heute fast 2,5 Millionen. Die meisten der 110.000 im Lande verbliebenen Weißen haben sich mit der schwarzen Regierung arrangiert. Die Aussicht, daß jetzt die 20 den Weißen vorbehaltenen Parlamentssitze der Verfassung entsprechend verschwinden werden, ruft keinerlei Panik hervor. Nur einzelne, wie der ehemalige Ministerpräsident Ian Smith, meinen bis heute, daß auch noch „für die nächsten tausend Jahre“ die bisherigen Privilegien der weißen Minderheiten gelten sollten. Nach mehreren derartigen Reden vor südafrikanischen Geschäftsleuten wurde er Anfang des vergangenen Monats für ein Jahr von seinem Parlamentssitz suspendiert. Der Mehrheit der Weißen genügt es jedoch vollauf, daß sie die Wirtschaft (u.a. die Industrie) Zimbabwes weitgehend kontrollieren - ein Tatbestand, den die Regierung Mugabe klugerweise nicht antastet. Kader bereichern sich Sieben Jahre nach der Unabhängigkeit hat die regierende Partei ZANU des Premierministers Robert Mugabe allmählich alle Funktionen im Staat an sich gerissen. „Die Posten sind verteilt“, so drückte es eine zimbabwische Zeitschrift kürzlich aus. Und sie verhehlte nicht ihre Besorgnis darüber, daß die Parteikader auf allen Ebenen beginnen, sich auf Kosten der Bevölkerung zu bereichern. Das Schlagwort heißt immer noch: Umwandlung einer kapitalistischen in eine sozialistische Gesellschaftsform; aber das schließt Beteiligungen von staatlichem oder schwarzem privaten Kapital an den zahlreichen im Land engagierten transnationalen Unternehmen mit ein. Und viele Zimbabwer sehen, unabhängig von aller Ideologie, zu, wie sie ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Von oben wird ihnen das vorgemacht: Viele hohe Funktionäre und Regierungsmitglieder haben sich beispielsweise entgegen dem Verhaltenskodex der Partei Großfarmen zugelegt, die früher im Besitz von Weißen waren. Immer wieder werden von der zimbabwischen Presse Bestechungsaffairen aufgedeckt. In einer groß angelegten Aktion werden z.B. derzeit die defizitären staatlichen Unternehmen wie die Eisenbahn, die nationale Fluglinie Air Zimbabwe, der Stahlhersteller ZISCO STEEL und die Ankaufstellen für Fleisch– und Milcherzeugnisse unter die Lupe genommen. Reihenweise wurden schon hohe Manager ausgewechselt. Schwierige Einigung Robert Mugabe dagegen genießt blindes Vertrauen in der Bevölkerung. Er hat dem Land als neuer Sprecher der Bewegung der Blockfreien zu internationalem Ansehen verholfen. Und selbst von der schwarzen Opposition ZAPU unter ihrem Führer Joshua Nkomo wird Mugabe als „integrer und weiser Führer“ Zimbabwes anerkannt. Deshalb war es auch für viele Zimbabwer eine Überraschung, als Mugabe am Vorabend des siebten Unabhängigkeitstages im vergangenen Monat erklärte, die Gespräche zur Gründung einer Einheitspartei zwischen Regierung und Opposition seien nach zweijährigen erfolglosen Verhandlungen endgültig gescheitert. Man habe sich weder auf einen Namen für die neue Partei noch auf gemeinsame Kandidaten für die Führungsposten einigen können. Dies verwundert, da die Regierung bereits Ende vergangenen Jahres zahlreiche Bedingungen der Opposition erfüllt hatte, so zum Bei spiel die Freilassung des Oppositionspolitikers Dumiso Dabengwa. In der Öffentlichkeit gab es gegen die Verschmelzung der beiden Parteien, die sich in ihren Programmen nur marginal unterscheiden, ebenfalls kaum Einwände. Nach Meinung von Beobachtern ist die Tatsache, daß die Gespräche gescheitert sind, innenpolitisch ein herber Schlag. Mugabe kann nun nicht mehr davon ausgehen, die volle Unterstützung der Ndebele sprechenden Bevölkerung im Südwesten des Landes, in Nkomos Hochburg Matabele land, zu erhalten. Auch befürchten zimbabwische Zeitungen jetzt, daß die Aktivitäten der sogenannten „Dissidenten“, kleiner marodierender Banden, zunehmen werden. Seit Jahren überfallen sie Dörfer und schüchtern vor allem die Bevölkerung in den südwestlichen Provinzen ein. Ein Dorn im Auge Südafrikas Die Dissidenten werden immer stärker in Verbindung gebracht mit südafrikanischen Infiltrationsversuchen, denn auch der Bombenterror auf ANC–Einrichtungen hat zugenommen. Bei einem Anschlag auf ein Wohnhaus in der Hauptstadt Harare kam zum Beispiel die Schwester des bekannten zimbabwischen Schriftstellers Dambuzo Marechera, Sisi, ums Leben. Sie war mit einem südafrikanischen ANC–Aktivisten verheiratet, der allerdings zum Zeitpunkt der Explosion nicht im Haus war. Bei einem anderen „Zwischenfall“ setzten Pretorias Hubschrauber ganz in der Nähe der Hauptstadt Kommandounternehmen ab, die einen Anschlag ausführten und anschließend in aller Seelenruhe von ihnen wieder aufgenommen und unbehelligt nach Südafrika zurückgeflogen wurden. Zimbabwe hat praktisch bisher keine Möglichkeit, sich gegen diese Attacken zur Wehr zu setzen. Als Land ohne Zugang zum Meer ist Zimbabwe auf die Handelswege durch Mozambique angewiesen. Die aber werden immer häufiger durch den ebenfalls von Südafrika geschürten Bürgerkrieg im westlichen Nachbarland in Mitleidenschaft gezogen. Neben Tanzania, das rund 5.000 Soldaten in Mozambique stationiert hat, sieht sich Zimbabwe im wohlverstandenen Eigeninteresse immer mehr gezwungen, die Armee Mozambiques mit Trainingsmöglichkeiten, Waffen und Soldaten (inzwischen mehr als 12.000) zu unterstützen. Der nicht erklärte Krieg verschlingt täglich rund zwei Millionen Dollar Devisen. Die Zeitbombe tickt Während die eingesetzten Waffenarsenale immer größer werden, wird der Krieg von der Bevölkerung zunehmend kritisch gesehen. Grundsätzlich unterliegt die Berichterstattung einer strengen Zensur; es werden nur erfolgreiche militärische Aktionen publiziert. Das aber steht im Widerspruch zu der wachsenden Zahl von toten Soldaten, die die Familien im Land beklagen. Hier geht die Regierung die Gefahr ein, einen Teil ihrer Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung zu verspielen. Aber noch melden sich genug Jugendliche zum freiwilligen Militärdienst. Sie haben auch kaum eine andere Alternative; denn die Ausweitung des Bildungsangebotes vor sieben Jahren hat dazu geführt, daß jährlich über 100.000 Jugendliche die Schulen verlassen. Aber für höchstens fünf Prozent steht eine Lehrstelle bereit. Genau wie in Europa fällt es auch in Zimbabwe der Regierung schwer, neue Arbeits– und Ausbildungsplätze bereitzustellen. Als Folge besonders der Jugendarbeitslosigkeit steigt die Kriminalität vor allem in den Städten. Vermehrt wird die Polizei eingesetzt, um herumlungernde Jugendliche, Obdachlose und Prostituierte einzufangen und aus den Städten zu vertreiben. Diese „Clean–ups“ führen zu heftigen Diskussionen in der Bevölkerung, viele halten sie für unangemessen. Die Folgen der Arbeitslosigkeit, die je nach Statistik zwischen 20 und 40 Prozent liegt, werden immer drückender. Steuern und Preise vor allem für die lebensnotwendigen Güter gallopieren davon. Und das für Investitionen und neue Arbeitsplätze notwendige Kapital wird im steigenden Verteidigungshaushalt gebunden. Sieben Jahre nach der Unabhängigkeit bräuchte Zimbabwe außenpolitische Stabilität, um seine inneren Probleme zu bewältigen. Aber beides ist zur Zeit nicht in Sicht.
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