: I N T E R V I E W Biowaffen: Billig, flexibel und gefährlich
■ Jeremy Rifkin, Leiter der „Foundation on Economic Trends“, der in den USA viele Entwicklungen innerhalb der Gentechnologie aufgedeckt und durch Prozesse gestoppt hat, zu den Möglichkeiten biologischer Kriegsführung
taz:Stehen wir vor dem Beginn einer neuen biologischen Aufrüstung? Rifkin: Das internationale Achtungsabkommen von 1972 ließ eine Lücke für die Forschung zu Verteidigungszwecken. Jetzt bietet sich zumindest in der Theorie ein völlig neues Genre von Biowaffen an, das diese durchaus in Konkurrenz zu den Atomwaffen stellen könnte. Wo läge deren strategischer Vorteil? Sie ließen sich, bisher noch rein theoretisch, gegen bestimmte ethnische Gruppen einsetzen. Denn jede hat seine spezifischen genetischen Charakteristiken. Innerhalb von zehn Jahren wird man die Gen–Rate des Menschen entschlüsselt haben. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten. Und ihr Einsatzgebiet? Wenn es zu heikel ist, Truppen zu senden, kann man Mikroben schicken, die einzigen Soldaten, die sich auf dem Schlachtfeld selbst reproduzieren und von denen niemand weiß, wer sie sandte. Der Agressor könnte behaupten, es sei eine natürliche Mutation. Gibt es diese Waffen bereits? Die Reagan–Regierung hat den Forschungsetat für diese Waffen in den letzten fünf Jahren um 500 Prozent erhöht. Man arbeitet mit allen gefährlichen Erregern, die die Menscheit kennt. Nur die USA? Amerika und die UdSSR werfen sich gegenseitig vor, Biowaffen herzustellen, die sie in Wahrheit noch gar nicht besitzen. Die Paranoia steigt. Beide Seiten glauben, sie müßten sich verteidigen. Es ist eine ideologische „Genlücke“ entstanden, wie früher die „Raketenlücke“. Man sieht immer den Rauch vor dem Feuer. Man steht in den Startlöchern zu einem neuen Rüstungswettlauf? Ja, und es gilt ihn zu stoppen, bevor sich ein neuer unüberschaubarer militärisch–industrieller Komplex gebildet hat. Schon jetzt arbeiten 21 Universitäten in dem Forschungsbereich. Uns wurden bereits schockierende Pläne ans Verteidigungsministerium zugespielt. Der eine war ein Insektenprogramm für einen Krieg in Europa. Der andere eine Studie über die Einsatzmöglichkeiten ballistischer Raketen als Biowaffenträger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen