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Hackentrick läßt Bayernchöre verstummen

■ FC Porto - Bayern München 2:1 (0:1) / Die Portugiesen gewinnen, im Gegensatz zu den Münchner Bayern, den Europacup der Landesmeister

Aus Wien Michael Schmidt

Die Bayern sind ein gottesfürchtiges Volk. Mit frommem Chorgesang im Stereoklang ließen sie sich von den Sektoren links und rechts der Haupttribüne lautstark vernehmen. Ihr „Hallelujah“ war zwar nicht von Händel, aber stimmgewaltig. Die portugiesischen Fans waren zu Beginn des Spiels wohl noch von der weiten Reise und von der Stadtbesichtigung erschöpft. Sie begnügten sich mit Hupen und Pfeifen. Drei einhalb Tage seien sie gefahren, erzählten drei von ihnen vor dem Match, extra Urlaub hätten sie sich genommen, zum längeren Verweilen in Wien bliebe dennoch keine Zeit; aber die „Catedral“ hätten sie wenigstens gesehen. Und ein Kerzerl werden sie wohl auch gestiftet haben. Die erste Viertelstunde auf dem grünen Rasen verbringen die Porto– und Bayernkicker mit sehr zielstrebigen, aber wenig zielführenden Siebzigmetersprints von Strafraum zu Strafraum. Jung bayer Kögl fühlt sich von seinen Kollegen zeitweilig vernachlässigt und versucht sie händewackelnd auf seine Existenz an der Outlinie aufmerksam zu machen. Um die 20. Minute gibt Porto zwei Minuten lang eine Einzelvorstellung zur eigenen Erbauung und der des Publikums; auch die Bayern verfolgen die Darbietung mit Interesse. Fünf Minuten später werden sie selbst aktiv und haben dabei sogar Glück. Kögls Kopfball kugelt ins Tor. Der Paß kommt vom Portugiesen Magalhaes, ebenfalls per Kopf. Dessen seefahrender, namensgleicher Vorfahre war übrigens vor 466 Jahren gerade dabei, die Fußballform der Erde nachzuweisen. Und er hatte auch nicht allzuviel Glück. Der Nachweis gelang zwar, kostete den kühnen Segler aber den Kopf. Er wurde am 27. April 1521 auf der Philippineninsel Mactan in einem Gefecht mit Eingeborenen erschlagen. Der Porto–Spieler Magalhaes hingegen läßt den Kopf nicht hängen und strengt sich doppelt an, was ihm in der 36. Minute die gelbe Karte einträgt, weil er Lothar Matthäus über seine Beine segeln läßt. Danach verlieren beide Teams die Lust zu weiteren kräfteraubenden Aktivitäten und verbringen die Zeit bis zur Pause recht gemütlich. Die Bayernfans sinds zufrieden und melden lautstark Regierungsansprüche im Stadion an. Nach der Pause kommt bei Porto der Brasilianer Juary Jorge Santos Filho für Quim, der bis dahin nicht weiter aufgefallen war. Die Portugiesen besinnen sich darauf, daß sie ja im Rückstand sind und beginnen, munter aufs Bayerntor loszurennen und zu schießen, und auch die Bayern flitzen flink übers Feld. Um noch mehr Farbe ins Spiel zu bringen, zeigt Herr Ponnet aus Belgien dem Portugiesen Celso die gelbe Karte. Eine Minute später (64.) dribbelt Porto–Jungstar Futre vor lauter Freude, daß er endlich den Ball hat, quer übers Feld an Freund und Feind vorbei und auch am Tor. Am liebsten hätte er den Ball wohl gleich mit heimgenommen. Wenig später ist dem Bayern Winklhofer die Dribblerei des Portugiesen zu blöd und er säbelt ihn neben dem Schiedsrichter um. Der Mann in Schwarz würdigt diese Leistung mit einer gelben Karte. Jungbayer Kögl hingegen springt in seinem unbändigen Freiheitsdrang auf dem Weg zum Portotor einen Verteidiger wie ein Panther von hinten an, so sieht es der Portoverteidiger und so sieht es Herr Ponnet. Was die Bayernfans sehen, zählt nicht. Der Freistoß ist gegen Bayern. Der flinke Flügelflitzer Kögl fällt häufig, und meist helfen die Portospieler ein wenig nach. Sousa kriegt in der 73. Minute die gelbe Karte, weil er Kögl auf die Tartanbahn neben die Outlinie gelegt hat. Das Pfeifkonzert der Bayernchöre scheint allerdings die Münchner mehr zu beeindrucken als die Portugiesen. So sieht die Bayernabwehr fassungslos zu, wie der Algerier Madjer sehr ele gant in der 78. Minute den Ball zum 1:1 ins Tor ferselt. Juary, der ihm den Ball serviert hat, darf zwei Minuten später. Diesmal paßt Madjer von links zur Mitte. Herr Pfaff im Bayerntor wirkt verwirrt. So schnell läßt sich ein Europapokal verlieren. Denn in den verbleibenden zehn Minuten bringen die Bayern nichts Rechtes mehr zuwege. In der 82. Minute geht Flick wg. Lunde, doch das hilft den Münchnern auch nicht. Der Cup gehört den Portugiesen, und das ist eigentlich auch gerecht. Die Portofans sind von viel weiter hergekommen, haben ihren Urlaub und viel Geld geopfert, da sollen sie doch wenigstens den Pokal mitnehmen können. Gespielt haben sie, zumindest in der zweiten Hälfte, ja auch ganz gut, und die Bayern haben den überdimensionalen Sekttopf ohnedies schon dreimal gewonnen. BAYERN MÜNCHEN: Pfaff - Nachtweih - Winklhofer, Eder, Pflügler - Flick (82. Lunde), Brehme, Matthäus, Rummenigge - Hoeneß, Kögl. FC PORTO: Mlynarczyk - Joao Pinto, Eduardo Luis, Celso, Inacio (66. Frasco) - Quim (46. Juary), Magalhaes, Sousa, Andre - Madjer, Futre.

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