: Vorläufiger Erfolg für einen Boykotteur des Mikrozensus 1985
■ Statistisches Landesamt Berlin wollte die Methoden der Datenspeicherung nicht offenlegen Vorläufig kein Buß– und Zwangsgeldverfahren / Ähnlicher Rechtsweg für Volkszählungsgegner
Von Petra Bornhöft
Berlin (taz) - Einzelne Boykotteure der Volkszählung werden nun in Niedersachsen mittels eines sogenannten Heranziehungsbescheides zur Angabe ihrer Daten gezwungen. Dabei werden Zwangs– und Bußgelder angedroht, sofern die Fragebögen nicht binnen einer Frist ausgefüllt werden. Mit einem ähnlichen Vorgehen der Erhebungsstellen in den anderen Bundesländern ist in den nächsten Wochen auch in anderen Bundesländern zu rechnen. In diesem Zusammenhang erhält der Beschluß des Oberverwaltungsgerichtes Berlin (OVG) besondere Bedeutung, ein vorläufiges Verfahren gegen einen Boykotteur des Mikrozensus 1985 einzustellen. Demnach wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage gegen den Heranziehungsbescheid der Zensusboykotteur kein Buß– oder Zwangsgeldverfahren erhalten. Maßgeblich für den OVG– Beschluß war, daß das Statistische Landesamt selbst einen Rückzieher gemacht hatte und auf die sofortige Einleitung eines Buß– Zwangsgeldverfahrens verzichtete. Denn nachdem das OVG einen Verhandlungstermin über den technischen Ablauf der Erhebung und die Datenspeicherung anberaumt hatte, erschien den Statistikern offenbar die sofortige Datenerzwingung unwichtig. Und so unterblieb mit dem Rückzug die gerichtliche Anhörung von Sachverständigen aus dem Statistischen Landes– und Bundesamt und von Datenschutzbeauftragten über die Verarbeitung der Mikrozensus–Angaben. Grund für die nun geplatzte Anhörung waren datenschutzrechtliche Zweifel des vom Mikrozensus Betroffenen, der sich 1985 geweigert hatte, die Fragen der Repräsentativ–Statistik zu beantworten. Er hatte sich auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht berufen und insbesondere mangelnde (technische) Vorkehrungen für den Datenschutz kritisiert. Die Abschottung der Daten gegen Mißbrauch sei nicht gewährleistet. Dies folge, so Angelika Teichert, auch „aus der Tatsache, daß in diesem Landesamt neben den Zensusdaten auch die Daten der Polizei und Ordnungsbehörden zu Vollzugszwecken gespeichert werden“. Der juristische Weg dieses Falles könnte nach Ansicht von Rechtsanwältin Angelika Teichert für Volkszählungsverweigerer ähnlich sein. Wie für die Volkszählung zu erwarten, erklärten die Behörden den Heranziehungsbescheid für sofort vollziehbar und drohten mit Buß– und Zwangsgeldern, sofern die verlangten Auskünfte nicht binnen einer festgesetzten Frist erteilt würden. Über die gegen diesen Bescheid im Februar 1986 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht bis heute nicht entschieden. Um die Einleitung eines Buß– und Zwangsgeldverfahrens zu verhindern, beantragte der Boykotteur gleichzeitig vor dem Verwaltungsgericht die „Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage“ im vorläufigen Verfahren. Als dieser Antrag abgelehnt wurde, beschwerte der Mann sich bei der zweiten Instanz, dem Oberverwaltungsgericht, das mit dem jetzt erfolgten Beschluß auch die Kosten des eingestellten Verfahrens dem Land Berlin aufbrummte.
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