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Türkes reist ungehindert durch BRD

■ Verfassungsschutz und politische Polizei lauschten tatenlos der Rede des türkischen Faschisten und Führers der „Grauen Wölfe“ / NRW–Innenministerium sah aber „keine Rechtsgrundlage“ zum Eingreifen

Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Taub und blind stellen sich die Behörden gegenüber dem ungehindert in der Bundesrepublik herumreisenden Führer der faschistischen türkischen „Grauen Wölfe“. Alpaslan Türkes, der laut Fahndungsbuch des Bundesgrenzschutzes nicht in die Bundesrepublik einreisen darf, passierte am vergangenen Freitag ungehindert die Grenzkontrollen des Frankfurter Flughafens. Vor viertausend Anhängern der offiziell als verfassungsfeindlich eingstuften „Türk Föderation“ hielt er Pfingsten im westfälischen Hamm eine Rede, ohne daß anwesende Verfassungsschützer oder Polizisten sich von ihren Stühlen erhoben. Nach Ankündigung der türkischen Zeitung Zercüman wird Türkes heute nachmittag in Berlin in einem türkischen Kongreßzentrum im Wedding auftreten und für seine Terrororganisation werben. Zwar fahndet angeblich die Polizei bundesweit nach dem Faschisten, doch die Landespolizeidirektion erfuhr erst durch die taz von dem geplanten Auftritt. Und der Sprecher des Berliner Innensenats weigerte sich, die Information überhaupt zur Kenntnis zu nehmen: „Es gibt keinen Grund, daß wir besondere Vorkehrungen treffen. Was Zeitungen schreiben, muß nicht immer richtig sein.“ Auch das nordrhein–westfälische Innenministerium war von der möglichen Einreise Türkes informiert. Doch, so ein Sprecher zur taz: „Es gab keine Rechtsgrundlage, den Mann festzunehmen.“ Türkes war mit einem Diplomatenpaß eingereist. „Erst später“ stellte sich heraus, daß es ein Diplomatenpaß „zweiter Klasse“ ist, der keine Sonderrechte gewährt und ein Einschreiten der Ausländerpolizei ermöglicht. Unklar indes bleibt, warum es den Staatsschützern in Hamm während der mehrstündigen Veranstaltung nicht gelang, entsprechende Informationen einzuholen. Sie begnügten sich mit der Auskunft des Bundeskriminalamtes, daß gegen den Türken nichts vorliege. Eine genaue Personalienüberprüfung sei, so der Sprecher des NRW–Innenministeriums, „aus polizeitaktischen Gründen unangebracht“ gewesen. „Stellen Sie sich mal vor was passiert, wenn die Beamten vor 4.000 Türken auf das Podium gehen. Denken Sie mal an Kreuzberg!“ Vorwürfe gegen den Bundesgrenzschutz oder gegen das Bundesinnenministerium, das gestern trotz mehrfacher Versuche nicht zu einer Stellungnahme bereit war, erhebt man in Nordrhein–Westfalen nicht. Dort will man „aufmerksam verfolgen, ob Türkes sich bei uns nochmal zeigt“. Alparslan Türkes, der erst vor gut einem halben Jahr aus der Haft entlassen wurde, war bis zum Militärputsch 1980 Chef der Nationalen Heilspartei. Diese Partei war unter seiner Führung wesentlich verantwortlich für den Terror in der Türkei, der den Militärs den Vorwand für den Putsch lieferte. Zur Zeit bemüht sich Türkes um den Aufbau einer Nachfolgeorganisation, für deren Finanzierung er nun seine Anhänger in der Bundesrepublik zu mobilisieren versucht.

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