Todeskandidaten: Bonn blockt weiter

■ Auch Bremen bereit, die 14 von der Hinrichtung bedrohten Chilenen aufzunehmen / Hessens neue Landesregierung zögert jetzt

Berlin (taz) - Das Bundesinnenministerium bleibt offenbar im Fall der 14 von der Hinrichtung bedrohten Chilenen bei seiner starren Haltung und will das politische Asyl durch eine „Sicherheitsüberprüfung“ verwehren. Gegenüber der taz sagte der Referatsleiter „Asyl“ des Ministeriums, in den aus Santiago vorgelegten Informationen finde sich „nichts Plausibles für die Entlastung“ der chilenischen Gefangenen. Man habe, so Scholl, „keine eindeutigen Beweise“. Aber „da wir unter Sicherheitsgesichtspunkten zu entscheiden haben, sind wir entsprechend vorsichtig“. Bundesinnenminister Zimmermann (CSU) wird dem Bundeskabinett am Mittwoch über seine Entscheidung berichten, ob den Chilenen die Einreise in die Bundesrepublik zu verweigern sei. Drei der 14 Chilenen sind bereits wegen angeblicher „terroristischer Aktivitäten“ verurteilt worden, bei den anderen ist ein Todesurteil zu erwarten. Sie haben die Einreise in die Bundesrepublik beantragt, da das Todesurteil in eine Ausweisung verwandelt werden kann, wenn sich ein ausländischer Staat zu ihrer Aufnahme bereitfindet. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Da die Anwälte Berufung eingelegt haben, sind die Urteile noch nicht rechtskräftig. Nach Hamburg hat jetzt auch der Bremer Bürgermeister Weydemeier (SPD) für den Stadtstaat in einem Schreiben an den Bundesinnenminister mitgeteilt, daß Bremen die Chilenen aufnehmen wolle. Die neue hessische Landesregierung hat sich inzwischen mit der Bitte um zusätzliche Informationen an das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt gewandt. Man sehe in Hessen hinsichtlich des Asyls für die Chile nen derzeit allerdings keinen Handlungsbedarf, so ein Sprecher, da es sich bei der Ausreisemöglichkeit von chilenischer Seite um eine „Kann“–Bestimmung handele und darüber hinaus noch nicht alle Todesurteile gefällt seien. Erst dann wolle man das Angebot der alten Landesregierung auf Aufnahme der bedrohten Gefangenen bestätigen oder aufkündigen. Vor dem Hintergrund der Erschießung von zwölf Menschen bei einer Polizeirazzia in Chile bezeichnete der SPD–Bundestagsabgeordnete Freimut Duve die Haltung Zimermanns am Freitag als „skandalöse Komplizenschaft mit der Diktatur“. Auch die Bundestagsfraktion der Grünen, die Or ganisation „medico international“ sowie die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ appellierten an Zimmermann, seinen Widerstand gegen die Aufnahme der Häftlinge aufzugeben, die sich in akuter Lebensgefahr befänden. Das Fehlen von Entlastungszeugen und die durch Folter erpreßten „Geständnisse“ deuteten nicht auf die Schuld der Folteropfer hin. Daß Chile kein Rechtsstaat sei, räumte auch Dr. Scholl vom Innenministerium ein. Für die Erpressung von Geständnissen durch Folter habe er dagegen keine Anhaltspunkte. Tatsächlich aber ist die Unterschrift unter einem Geständnis der einzige Beweis für die Verantwortung der drei Verurteilten Hugo Marchant Moya, Carlos Araneda Miranda und Jorge Palma Domosij an dem ihnen zur Last gelegten Attentat auf den Militärgouverneur von Santiago, Generalmajor Carol Urzua, im August 1983. Die drei waren nach Informationen des Spiegel wenige Tage nach dem Anschlag zwei Wochen lang unter Folter verhört worden. Nachdem sie erfuhren, daß auch ihre Lebensgefährtinnen und Kinder gefoltert wurden, unterschrieben sie alles. Auch die anderen elf Gefangenen der Militärdiktatur, Mitglieder der Bewegung der Revolutionären Linken (MIR), sitzen bereits seit Jahren in verschiedenen chilenischen Gefängnissen. Alle waren schwersten Folterungen ausgesetzt. k.k.