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Koalitionskrach um Chilenen

■ Kabinett unter Kanzler Kohl trifft heute keine Entscheidung über die Aufnahme der Todeskandidaten / Innenministerium beharrt auf Abweisung der „ausländischen Terroristen“ / Genscher für Gewährung von Asyl

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Heute kann sich Bundeskanzler Helmut Kohl noch vor der Frage drücken, ob er die 14 chilenischen Oppositionellen Pinochets Hinrichtungskommandos überlassen will. Eine Entscheidung über die Aufnahme der Todeskandidaten wird auf der heutigen Kabinettssitzung nicht gefällt, teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes gestern mit. Zwischen den Koalitionsparteien bahnt sich derweil ein Streit über die Behandlung der chilenischen Oppositionellen an. Auf einer von den Grünen beantragten Sondersitzung des Innenausschusses erklärte Zimmermanns Staatssekretär Hans Neusel, es gebe keinen Anlaß, die „Si cherheitsbedenken“ gegen die Chilenen zurückzustellen. Es handele sich um Gewalttäter, die „den Sozialismus herbeibomben“ wollten. „Entlastende Hinweise“ lägen dem Innenministerium nicht vor. Die harte Linie der CDU/CSU bekräftigte gestern auch der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Johannes Gerster: Die Bundesrepublik sei „kein Auffangbecken für ausländische Terroristen und Kriminelle“. Außenminister Genscher plädierte dagegen gestern für die Aufnahme der Chilenen. Die Vorwürfe gegen sie würden durch die „bekannte Folterpraxis der chilenischen Sicherheitsorgane“ relativiert. Er habe die deutsche Botschaft in Chile angewiesen, die Organisation der Angehörigen der Inhaftierten zu den Vorwürfen zu hören. Die Politiker der FDP Burkhard Hirsch, Wolfgang Lüder und Manfred Richter meinten, es sei „unangemessen, die Aufnahme der Chilenen pauschal zu bejahen oder abzulehnen“. Jeder Fall müsse einzeln überprüft werden. Aber, so Lüder zur taz, „es muß alles getan werden, damit die Todesurteile nicht vollstreckt werden“. Im Auswärtigen Amt hieß es zu den unterschiedlichen Stellungnahmen aus der FDP, eine Einzelfallprüfung sei nicht vorgesehen. Zu der Gefahr einer baldigen Vollstreckung der Todesurteile sagte ein Sprecher, dafür lägen „überhaupt keine Anzeichen“ vor. Zunächst müsse der Ab schluß der Verfahren in Chile abgewartet werden. Im Innenausschuß war bereits am Vormittag mitgeteilt worden, für sieben der 14 Oppositionellen gebe es mittlerweile Aufnahmeerklärungen aus anderen westeuropäischen Ländern. Die SPD– Bundestagsfraktion forderte gestern eine positive Entscheidung über die Chilenen, obwohl die „Gewalttaten des MIR“ grundsätzlich abgelehnt würden. Die Grünen–Abgeordneten Ellen Olms und Regula Bott warnten davor, daß die Inhaftierten noch vor Prozeßende in den Gefängnissen umgebracht werden könnten. Eine aktuelle Stunde des Bundestags wird sich heute erneut mit dem Thema befassen. Kommentar auf Seite 4

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