: Buchstäblich ausgerottet
Trotz eines gewaltigen Aufgebotes der türkischen Armee und der Entsendung von 5.000 Mann starken sogenannten „Anti–Terror“– Einheiten, fehlt jede Spur von den Tätern des blutigen Anschlages vom Wochenende. Unterdessen drangen weitere Einzelheiten aus der Region ans Tageslicht, die neben den Flugblättern am Ort des Geschehens auf die Täterschaft der PKK verweisen. Nach dem Attentat in Pinarcik drangen die Täter unbehelligt ins Nachbardorf Isikdere ein und warnten die Dorfbevölkerung über Megaphon: „Wenn ihr kein Massaker wie in Pinarcik wollt, laßt ab vom Verrat. Der Stamm der Ömerli wird zur Rechenschaft gezogen werden.“ Die Angehörigen des kurdischen Stammes der Ömerli, die in Pinarcik lebten, sind mitsamt Frauen und Kindern am Wochenende buchstäblich ausgerottet worden. Bereits in der Vergangenheit war in dem gleichnamigen Provinzstädtchen Ömerli der Stammesführer Cemil Oglo Ziel eines PKK–Anschlages. Der Stammesführer der Ömerli ist Mitglied der konservativen „Partei des Rechten Weges“, und die Ömerli sind in die vom türkischen Staat bewaffneten Dorfmilizen eingetreten. Die Bestrafung der Stämme, die in die Dorfmilizen eintreten, der „Kollaborateure“ und „Agenten“ ist erklärtes Ziel der PKK. Mit der Bewaffnung eines Teils der kurdischen Stämme durch den türkischen Staat haben blutige Terrorakte auf die Zivilbevölkerung zugenommen. Historisch gewachsene Stammesfehden werden so im Gewand moderner politischer Parolen ausgetragen. In der Vergangenheit sind mehrfach Gewaltakte eines zu Dorfmilizionären gewordenen kurdischen Stammes gegen den verfeindeten Stamm bekanntgeworden. Alle Oppositionsparteien im Parlament kritisieren deshalb die von der Özal–Regierung verfügte Etablierung der Dorfmilizen. Abseits aller national–kurdischen Phrasen greift die PKK, ebenso wie die türkische Armee auf jene Stammesrivalitäten zurück, um Anhänger zu rekrutieren. Bislang bezeichnete die türkische Regierung die PKK als „Terrorbande“, die vom Ausland her eindringe und wieder über die Grenze flüchte. Die gebirgige Topographie erschwere die Verfolgung der Terroristen, und es sei ihnen möglich, ins Ausland zu flüchten. Mit solchen Hinweisen legitimierte die türkische Regierung die Bombardierung angeblicher PKK–Stützpunkte im Nord–Irak im Rahmen eines bilateralen Abkommens mit der irakischen Regierung. Mit dem Anschlag in Pinarcik ist solcherlei Begründung für das Fortwähren der PKK–Aktionen in Frage gestellt. Pinarcik ist mehr als 25 Km Luftlinie von der Grenze entfernt und liegt offen auf der Ebene zwischen Mardin und der Grenze. Der Innenminister Akbulut schloß aus, daß die Täter über die syrisch–türkische Grenze geflüchtet sein könnten. Informell gestand sogar ein hoher Vertreter des Generalstabes gegenüber der türkischen Tageszeitung Hürriyet, daß die „Banditen“ mit Sympathie in der Bevölkerung rechnen können. Der Grund für fehlende Erfolgsmeldungen der türkischen Armee vier Tage nach dem Anschlag liege darin begründet, daß „die Terroristen wie einfache Dörfler auf dem Feld arbeiten und nachts im Nachbardorf blutige Massaker begehen“. Die Sympathie eines Teils für die PKK steht trotz ihrer blutigen Kampfmittel außer Zweifel.
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