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„Nichtregierungsorganisationen“ mischen sich ein

■ UNCTAD–Konferenz in Genf / Mit trade–off geben die NROs eine wichtige Konferenzzeitung heraus / Welthandelskonferenz hat aber für Engagierte an Attraktivität verloren

Aus Genf Konrad Melchers

Als am Dienstag abend die kenianische Sprecherin der Nichtregierungsorganisation in der Entwicklungshilfe (NRO), Agnes Chepkwony, eine Vertreterin des Weltkirchenrats, ihre Rede im Plenum der 7. Welthandels– und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) beendet hatte, spendeten ihr die wenigen im großen Saal des Genfer Völkerbundpalasts verbliebenen Delegierten Sonderbeifall. „You did a good job“, meinte auch danach der Vorsitzende von UNCTAD7, der simbabwische Finanz– und Planungsminister Bernhard Chidzero bei seinem Empfang, zu dem die meisten Delegierten schon Stunden vor der Grundsatzerklärung der Nichtregierungsorganisationen geeilt waren. Einige 100 Meter weiter feierten andere Delegierte den sowjetischen Propaganda–Coup in der sowjetischen Botschaft des Vormittags: Die mit achtjähriger Verspätung vollzogene Unterzeichnung des gemeinsamen Rohstoffonds durch den sowjetischen Außenhandelsminister Boris Aristow. Was hatte die Elitenvertreter aus der Dritten Welt bewegt? Agnes Chepkwony sprach zu den Problemen von Handel, Rohstoffen und Verschuldung aus der Sicht der Armen und Verdammten dieser Erde. Sie hatte einen kleinen Spalt geöffnet, durch den für die wenigen Minuten ihrer Rede der ideologische Mief der „freien Marktwirtschaft“ verschwand, den die westlichen Industrieländer bei UNCTAD7 in noch nicht dagewesenem Maße verbreiten. Ihr Vorredner, der deutsche Generalsektretär der internationalen Handelskammer, Hans König, hatte z.B. kurz zuvor seine Genugtuung über die wieder wachsende Beliebtheit marktwirtschaftlicher Konzepte geäußert. Gegen solche Einäugigkeit fordern die NRO, die sich um basisorientierte Entwicklung und politische Bewußtseinsbildung bemühen, daß der Zusammenhang der globalen Probleme wie wirtschaftliche Entwicklung und neue Technologien anerkannt wird. Agnes Chepkwony ließ die Delegationen der Konferenz wissen, daß deren Aktivitäten bei UNCTAD7 von den NRO genau beobachtet und Manöver, die Konferenz zu blockieren, aufgedeckt würden. Zu solcher Art von politischer Lobby sind etwa zwei Dutzend Mitarbeiter von NRO aus Nord und Süd nach Genf gereist. Gleich neben der ersten Galerie des Plenarsaals bezogen sie vier geräumige Büros. Von dort koordinieren sie die schwierige Aufgabe, ein Netz zu den rund 140 Delegationen zu spinnen. Ihr wich tigstes Instrument ist eine Konferenzzeitung mit dem Titel trade off. Wie ähnliche NRO–Zeitungen bei früheren UNCTADs ist trade off ein Medium, das bekannt zu machen, was sonst verborgen blieb. So konnte trade off in seiner zweiten Ausgabe ausführlich über ein Strategiepapier der westlichen Industrieländer berichten. Da die westlichen Industrieländer bei UNCTAD7 geeinter auftreten als bei früheren UNCTADs und andererseits die Entwicklungsländer gespaltener sind, ha ben sich die NRO vorgenommen, an der Phalanx der westlichen Industrieländer zu kratzen. Wenigstens sollen die alten Mittlerländer wie z.B. die skandinavischen Staaten wieder eine Haltung einnehmen, die den Interessen der Entwicklungsländer gerechter wird. In diesem Sinn begrüßte z.B. Agnes Chepkwony besonders die Rede der norwegischen Ministerpräsidentin, Gro Harlem Brundtland, die den Zusammenhang von Entwicklung und Umwelt hervorhob. Die Erfolgschancen für die Lobby der NRO sind allerdings gering. Regierungen besonders der Industrieländer pflegen die Marschroute ihrer Delegationen langfristig festzulegen und lassen kaum Verhandlungsspielräume. Auch das Engagement der NRO für UNCTAD befindet sich in steiler Talfahrt. Aus den Ländern mit einer traditionsreichen Lobbykultur wie England und den USA sind im Gegensatz zu den früheren UNCTADs fast keine NRO–Vertreter angereist. Bundesdeutsche NRO sind überhaupt nicht anwesend. Dafür gibt es mehrere Gründe. In der BRD hat der Begriff der Nichtregierungsorganisationen nicht gerade Hochkonjunktur. Bei der Wenderegierung ducken sie sich noch mehr als früher. Von bundesdeutschen NROs wird deshalb auch viel weniger politische Bewußtseinsbildung und politische Lobby betrieben als in angelsächsischen Ländern. Die Projektarbeit in den Entwicklungsländern steht im Vordergrund. UNCTAD hat darüber hinaus an Attraktivität verloren, weil sie keine „Zuständigkeit“ für das Verschuldungsproblem besitzt, das heute das Elixier für kritisches Engagement ist. Mit UNCTAD glaubten früher auch viele sich positiv identifizieren zu können, was immer dann schwer ist, wenn sich zeigt, daß die Geliebte dem Idealbild kaum ähnelt. Demgegenüber gleichen die Feindbilder den Realitäten von Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der Weltbank eher: Sie besitzen „Zuständigkeit“ für das Verschuldungsproblem. Um aus der Schußlinie der NRO zu gelangen oder sich wenigstens gesprächsbereit zu geben, versucht die Weltbank bei UNCTAD, Nichtregierungsorganisationen um sich zu scharen und ihnen einen assoziierten Status zu verleihen. Auch beim IWF sind solche Annäherungsversuche unverkennbar. Schließlich sind berechtigte Zweifel am entwicklungspolitischen Credo der UNCTAD aufgekommen: Entwicklung durch Handel als eindimensionales Konzept hat sich als untauglich erwiesen. Die Kritik an diesem Konzept scheint aber inzwischen Früchte beim UNCTAD–Sekreteriat zu tragen. In den Konferenzdokumenten des UNCTAD–Sekretariats werden zum ersten Mal soziale Fragen, der Zusammenhang von Rüstung und Entwicklung sowie die Umweltproblematik thematisiert. Diesen Prozeß können die NRO tatkräftig fördern. UNCTAD ist immer noch die einzige Organisation, in der über Lösungen für die interdependenten Probleme unseres Globus verhandelt werden kann.

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