: Nullnull weltweit statt Pershing 1a?
■ Abbrüstungsvorschlag Gorbatschows ist offenbar an Abschaffung der deutschen Pershings gebunden
Von Erich Rathfelder
Berlin (taz) - Die von Parteichef Gorbatschow bekundete Bereitschaft der Sowjetunion zu einer weltweiten Beseitigung der atomaren Mittelstreckenraketen größerer und kürzerer Reichweite hat gestern in Bonn und Washington überraschend schnell ein positives Echo ausgelöst. Außenminister Genscher sprach von einem „substantiellen Schritt nach vorne“, und der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU Fraktion Volker Rühe sprach von einem Zeichen, daß nun ein Abrüstungsabkommen noch in diesem Jahr möglich sei. Der Sprecher des Weißen Hauses Marlin Fitzwater erklärte am Mittwoch abend in einer ersten Stellungnahme, der Vorschlag einer globalen Null–Lösung sei darüberhinaus „ermutigend“ für das Zustandekommen eines amerikanisch–sowjetischen Gipfeltreffens. Dagegen verhielten sich die Regierungen in London und Tokio abwartend. Für die Grünen wären die USA und die Nato gut beraten, diesem sowjetischen Angebot ohne neue Hindernisse entgegenzutreten. Die in der Bundesrepublik stationierten Pershing 1a–Raketen mit ihren amerikanischen Sprengköpfen bleiben offenbar das entscheidende Hindernis für eine weltweite doppelte Null–Lösung. Die UdSSR könne einer weltweiten Beseitigung der Mittelstreckenraketen nur zustimmen, wenn die Pershing 1a samt Sprengköpfen in ein Abkommen einbezogen werden, erklärte am Donnerstag in Moskau der sowjetische Generalstabschef Sergej Achromejew. Gorbatschow war am Dienstag in einem Interview mit der indonesischen Zeitung „Merdeka“ auf die Ängste asiatischer Länder über die nach den Gipfelgesprächen von Reykjavik erlaubten 100 sowjetischen Mittelstreckenraketen in Sibirien eingegangen. Die Sowjetunion „ist bereit zur Vernichtung aller ihrer Mittelstreckenraketen auch im asiatischen Landesteil. Unter der Bedingung natürlich, daß die USA dasselbe tun. Beseitigt werden auch die operativ–taktischen Raketen. Mit anderen Worten, wir werden von der Konzeption einer globalen doppelten Null–Lösung ausgeFortsetzung auf Seite 6 Kommentar auf Seite 4 Dokumentation auf Seite 7 Es gehört nicht viel Intuition dazu, eine Reihe von Gehenkten zu sehen und dann festzustellen, daß etwas in der Luft hängt. Stanislaw Jerzy Lec hen“, so die Äußerung des Kremlchefs. Zu den 72 Pershing 1a–Raketen der Bundeswehr mit amerikanischen Atomsprengköpfen nahm Gorbatschow nicht Stellung. In dem von TASS veröffentlichten Interview unterbreitete Gorbatschow ferner die Angebote, die Zahl der Flugzeuge im asiatischen Teil der Sojetunion zu begrenzen, die Atomwaffen an Bord nehmen können, die Aktivitäten der sowjetischen und amerikanischen Flotte im Pazifischen und Indischen Ozean einzuschränken, internationale Garantien für eine sichere Schiffahrt auch in der Golfregion festzuklopfen und die mit Atomwaffen bestückten Schiffe der beiden Supermächte außerhalb der Reichweite des Territoriums des anderen Landes zu halten. Auch in Kambodscha stünden die Chancen gut, daß Vietnam seine Truppen abzöge. „Eine konkrete Frist für den Abzug der vietnameischen Truppen aus Kambodscha wurde genannt“, sagte Gorbatschow. Der Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan sei im Prinzip ebenfalls gelöst. Er hänge aber auch von dem Verhalten der anderen Seite ab. Ein Sprecher der NATO erklärte in Brüssel, daß die Einzelheiten des Vorschlags noch nicht auf dem Tisch lägen und in schriftlicher Form in Genf vorgetragen werden müßten, ehe eine Beurteilung der neuen Vorschläge vorgenommen werden könne. Nach Informationen der Nachrichtenagenturen sollte dies am Donnerstag abend geschehen. Nordkorea hat inzwischen einen massiven Truppenabbau in beiden Koreas vorgeschlagen.
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