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Griechenland im Hitzetaumel

■ Wände glühen auch nachts noch / Verabredungen werden wegen Hitze verschoben / 900 Tote in einer Woche / In den Krankenhäusern herrscht Ausnahmezustand / Mittlerweile wurden kühlere Temperaturen angesagt

Aus Athen Doris Wille

45 Grad im Schatten, das hat selbst Griechenland seit 10 Jahren nicht mehr erlebt. Seit vergangenem Mittwoch staut sich die Wärme in den Betonwänden der dicht bebauten 4,5–Millionenstadt, die auch nachts nicht mehr abkühlt. Selbst in absoluter Ruhelage rinnt der Schweiß. Das Wasser, das so mancher Nachbar nun mit dem Schlauch auf Straße und Bürgersteig spritzt, steigt als heißer Dampf auf. Erleichterung bringt das kaum. Wer irgend kann, flieht die Stadt und sucht den Strand auf. Die Zuhausegebliebenen versorgen sich mit Fächern und Ventilatoren, jeder hilft sich, so gut er kann. In Panos Fotokopielädchen, das in einer dunklen Passage liegt, wird jetzt ohne Licht gearbeitet. „Die Lampen heizen den Raum nur unnötig auf.“ Im Schreibwarengeschäft nebenan taucht plötzlich der völlig durchgeschwitzte Straßenfeger auf und stellt sich, ohne ein Wort zu verlieren, direkt neben die Klimaanlage. Einige Jugendliche wagen auch schon mal ein Bad im Brunnen auf dem Omoniaplatz. Die meisten aber bewegen sich so wenig wie möglich nach draußen und warten die Hitze auf dem häuslichen Balkon ab. Verabredungen werden abgesagt: „Lieber nächste Woche, du weißt schon, die Hitze und dann die lange Fahrt im Bus.“ Seit Montag sind kühlere Temperaturen angesagt, nur ist davon noch nichts zu spüren. Die Athener üben sich in Geduld. Und was heißt schon Abkühlung - vielleicht 38 Grad? Zu allem Überfluß kam es bei den tropischen Temperaturen in einigen Athener Bezirken zu massiven Problemen bei der Wasserversorgung. Aus den privaten Hähnen floß kein Tropfen mehr. Katina A. hat harte Tage hinter sich: „In Agia Paraskevi hatten wir mehr als 48 Stunden kein Wasser. Von Donnerstag früh bis Samstag nachmittag um drei, dann wurde es wieder angestellt.“ Wegen des erhöhten Verbrauchs hatte man einzelne Viertel zur Selbstbeschränkung gezwungen. Nach Auskunft des Athener Wasserwerks lag der Wasserverbrauch mit 1.252.000 Kubikmetern bei weitem höher als der Durchschnitt von 800.000 Kubikmetern. Das konnte die Kläranlage nicht mehr bewältigen. „Bei uns gab es nur eine einzige Wasserquelle in der näheren Umgebung“, erzählt Katina A. weiter. „Da haben wir uns mit Eimern und Flaschen versorgt.“ Die Krankenhäuser bieten eintragisches Bild, die Bettenkapazität reicht bei weitem nicht aus für die Hitzekranken, Notpritschen mußten auf den Gängen aufgestellt werden. Fürsorgliche Verwandte haben ebenfalls ihr Dauerquartier bezogen, legen ihren Angehörigen kalte Kompressen auf die Stirn und fächeln ihnen Luft zu. Das Ewangelismos, eines der größten Krankenhäuser Athens, verfügt wie die meisten anderen auch über keine Klimaanlage. Ständig liefert der Krankentransport der „Ersten Hilfe“ neue hitzegeschädigte Patienten ein. Am Samstag wurde die Notrufnummer 3148 mal gewählt. Waren es zunächst die ständig steigenden Wärmegrade, die in fetten Lettern veröffentlicht wurden, sind es nun andere Schreckenszahlen. Besonders ältere Leute sterben an der Hitze: 120, 250, fast 900 Tote in einer Woche. In den Schlagzeilen werden jeden Tag die neuen Zahlen präsentiert, wobei auch die vielfarbigen Fotos von nach Luft röchelnden Kranken nicht fehlen dürfen, und das nicht nur in der Boulevardpresse. Unter der Rubrik „wieviele starben gestern und wo“ findet man am Sonntag eine summarische Aufstellung der Toten, gegliedert nach Krankenhäusern: 37 im Ewangelismo, 47 im Dzanio, 15 im Ipokratio. Am Freitag gab es noch makabre Listen mit namentlich genannten Hitzeopfern. Überlastung zeigt sich auch auf den Athener Friedhöfen. „Wir arbeiten von morgens 9 bis abends 9“, berichtet der Direktor des 1. Friedhofs. „Am Sonntag ist dann unser Kühlhaus kaputt gegangen. Wir hatten statt 24 Särgen 32 hineingestellt. Was sollten wir machen?“ Inzwischen werden auch die Kühlwaggons, in denen sonst Obst und Gemüse transportiert werden, mitverwendet. Der 3. Friedhof, der Volksfriedhof, ist bis zum Wochenende voll ausgebucht: 75 Beerdigungen statt wie sonst zehn bis zwölf pro Tag. Es wird von einem nationalen Unglück gesprochen. Daß die überwiegende Mehrzahl der Toten aus dem Bezirk Athen stammt, gibt zu denken. Die chronische Luftverschmtuzung hat sich durch die Hitze noch verschlimmert. Ständig liegt ein gelblicher Smog–Schleier über der Stadt. Nach Angaben des Umweltinstituts Pakoe hätte - gemessen an westeuropäischen Richtwerten - bis Ende Juni 76 mal Smogalarm ausgelöst werden müssen. Geschehen ist nichts. Das Gesundheitsministerium begnügte sich damit, den Athener Bürgern zu empfehlen, häufig zu duschen, viel zu trinken und körperliche Anstrengungen zu meiden. Unterdessen rollen weiter die Autolawinen durch die Stadt. Mittlerweile läßt der Wetterbericht allerdings aufatmen: anfänglich heiter, am Nachmittag Wolkenbildung mit Regenfällen und Gewittern. Temperaturen zwischen 25 und 38 Grad.

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