piwik no script img

Zweierlei Folter

■ In der Diskussion um die 15 Chilenen vergessen: Folter ist kein genereller Asylgrund in der BRD / Für Asylgewährung seien die Motive der Folter entscheidend

In trauter Einigkeit nutzen die Vertreter sämtlicher Parteien die Debatte um die Asylgewährung für die 15 Chilenen zu einem Bekenntnis für Menschenrechte und gegen Folter. Insbesondere Christdemokraten betonen dabei ihre Abscheu gegen jegliche Art von Folter. Strittig innerhalb der Union ist nur, ob die betroffenen Chilenen tatsächlich gefoltert wurden. Was die Politiker dabei vergessen: Nach einer höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von 1983 ist es bei vielen Gerichten längst gängige Praxis, erlittene oder drohende Folter nicht generell als Asylgrund anzuerkennen. Entscheidend für die Asylgewährung sei, ob der Staat aus politischer oder strafrechtlicher Motivation heraus foltere, urteilten die Bundesverwaltungsrichter und gaben damit ihren Richterkollegen argumentative Schützenhilfe für die Ablehnung von Asylanträgen. Nach der gängigen Rechtsprechung könnten z.B. Banküberfälle, die einer Widerstandsorganisation zur Geldbeschaffung dienen, als rein strafrechtliches, kriminelles und nicht als politisches Delikt gelten. Folterungen zur Erpressung von Geständnissen wären dann keine politischen Folterungen mehr und infolgedessen auch kein Asylgrund. Trotz heftiger Kritik an diesem „Folterurteil“ hat das Bundesverwaltungsgericht diese Auffassung in einem Urteil von 1985 bestätigt, und auch der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beruft sich auf diese Rechtsprechung. Auch an anderer Stelle sind die jetzt so einmütigen Foltergegner sonst gar nicht so entschiedene Verfechter der Menschlichkeit: Gut zweieinhalb Jahre brauchte die Bundesregierung, bis sie sich jetzt im Mai als eines der Schlußlichter zur Unterzeichnung der Anti–Folter–Konvention der UNO aufraffte. Die endgültige Ratifizierung ist bislang an einem Einspruch Bayerns gescheitert, das auf einen Vorbehalt drängt, daß eine Abschiebung von Ausländern auch dann möglich ist, wenn ihnen im Heimatland Folter drohen könnte. Ve.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen