Demo gegen Molke in Hungen

■ In Hungen geht es rund: Ca. 1.000 Teilnehmer demonstrierten am Samstag gegen die geplante Entseuchung von verstrahltem Molkepulver / BI befürchtet, daß Entseuchungsanlagen Pilotprojekt sein könnten

Aus Hungen Antje Friedrich

Das oberhessische Städtchen Hungen, Schauplatz der Diskussion um die Dekontaminierung des verstrahlten Molkepulvers, erlebte am vergangenen Samstag seine erste große Demonstration. Nach Informationsveranstaltungen, der Gründung einer Bürgerinitiative und Anhörungen von Experten, deren Expertenwissen die Hungener zunehmend anzweifeln, geht es nun Schlag auf Schlag. Laut Polizeiangaben waren rund 1.000 Teilnehmer gekommen, vorwiegend aus dem Ort und den umliegenden Dörfern. Bei Kundgebungen, auf dem Marktplatz und vor der Molkerei Moha erklärten Anwohner und Sprecher der Bürgerinitiativen, es gelte nun, „denen da oben zu zeigen“, daß es nicht „damit getan ist, alle vier Jahre zur Wahlurne zu gehen“. Eine eigens für die Demonstration installierte Lautsprecheranlage auf einem Traktoranhänger, das „Radio Aktives Hungen“, bot jedem die Möglichkeit, persönliche Argumente zu formulieren. In erster Linie waren es Mitglieder der Bürgerinitiative sowie um ihre Existenz fürchtende Bauern, die sich zu Wort meldeten. Sie gingen vorwiegend auf Stellungnahmen ein, die in der vergangenen Woche bei einer Informationsveranstaltung von Experten gegeben worden waren. So erklärte Brigitte Vallenthin, Mitglied des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen für Umweltschutz (BBU), an die Adresse von Bundesumweltminister Töpfer: „Hungen wird von Bonn aus falsch eingeschätzt. Wir lassen uns eine solche Anlage nicht aufschwätzen, wie Rheumadecken auf Kaffeefahrten.“ Die Befürchtung, daß es nicht bei diesem Auftrag für die Molkerei Moha bleibt, sondern mit Einrichtung der technischen Anlagen seitens der Bundesregierung ein Pilotprojekt zur Entseuchung von Lebensmitteln angestrebt wird, klang in vielen Redebeiträgen durch. Für die Hungener heißt dies, daß auch sie „ein Exempel statuieren“, denn, wie ein weiterer Sprecher erklärte, „es geht um mehr, als nur verstreute Molke. Wir haben weltweit die Aufgabe, zu zeigen: So nicht!“ Die etwa dreistündige Demonstration verlief friedlich. Zwar ertönte zum Abschluß der Kundgebung eine Endzeitstimmung verbreitende Sirene, und manch einer spekulierte aber schließlich tut sie das jeden Samstag.