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UNCTAD VII - Bilanz: Klimawechsel im Verkehr

■ Fortschritte bei Rohstoff– und Verschuldungsproblemen / Russischer Beitritt wertet Rohstoffabkommen auf / Blockstruktur ist nicht mehr zeitgemäß

Aus Genf Alfred Krüger

Der Ausgang der dreieinhalbwöchigen UN–Konferenz über Handel und Entwicklung (UNCTAD), die am Montagabend in Genf mit der Verabschiedung eines über fünfzig Seiten umfassenden Schlußaktes zu Ende gegangen ist, ist allgemein mit spürbarer Erleichterung aufgenommen worden. Konferenzpräsident Zhidzero, Minister für Finanzen und Entwicklungsplanung von Simbabwe, wie auch UNCTAD–Generalsekretär Dadzie (Ghana) sprachen von „ziemlich signifikanten Ergebnissen“, und auch der belgische Botschafter Thuysbaert als Sprecher der westlichen Industrieländer zeigte sich zufrieden. Seiner Meinung nach ist auf der siebten Welt– und Entwicklungskonferenz „die Basis für eine wiedergefundene Verständigung“ zwischen Nord und Süd gelegt worden. Sah es zu Beginn der Mammutveranstaltung, an der Vertreter aus 141 Nationen teilnahmen, noch so aus, als würde sich das „Desaster“ der UNCTAD VI von Belgrad wiederholen, so lockerte sich die zunächst eher pessimistische Stimmung unter den Delegierten auf. Verantwortlich hierfür sind insbesondere zwei Ereignisse: zum einen die Ankündigung der Sowjetunion, sie wolle nun auch dem gemeinsamen Rohstoff– Fonds beitreten und damit dessen Inkrafttreten ermöglichen, was bislang an dem notwendigen Quorum gescheitert war. Das zweite Ereignis betraf die unverhoffte Einigung auf eine wachstumsorientierte Schuldenstrategie. Die Bedeutung des Kompromisses für die Verschuldungsstrategie ist in der Tat überragend, selbst wenn dabei berücksichtigt werden muß, daß die Industrieländer sich bei ihren Zugeständnissen im großen und ganzen im Rahmen dessen hielten, was zuletzt auf dem Venediger Gipfel der sieben größten kapitalistischen Länder vereinbart worden ist. Nicht durchzusetzen vermochten sich die Entwicklungsländer mit ihrer Forderung nach einer radikal neuen globalen Schuldenstrategie, die an die Stelle der bisher von den Gläubigerländern praktizierten Einzelfallregelung treten sollte. Dafür aber anerkannten die B–Gruppen–Länder die gemeinsame Verantwortung von Nord und Süd bei der Lösung des für die Dritte Welt derzeit akutesten Problems. Noch bedeutsamer erscheint die Bereitschaft der Länder des Nordens, die mittelfristigen Entwicklungsziele der Südländer in Rechnung zu stellen. Im Schlußdokument der UNCTAD VII heißt es dazu explizit: „Schuldenprogramme sollen Investitionserfordernisse der verschuldeten Länder prüfen, und die Schuldendienstmöglichkeiten, Exporterlösaussichten, die Einfuhrbedürfnisse, das Wachstum, des Bruttosozialprodukt und die künftigen Finanzströme in Rech nung stellen.“ Den Drittwelt–Ländern bleibt allerdings auch in Zukunft der Weg zum Internationalen Währungsfonds nicht erspart. Er wird sie weiterhin, wenn auch in flexibler Form, zu wirtschaftlichen Strukturmaßnahmen vergattern, die nicht nur der Privatinitiative einen größeren Spielraum einräumen, sondern auch die interne Ersparnisbildung begünstigen und dazu beitragen, Defizite abzubauen. Eine Abfuhr erhielten die verschuldeten Länder mit ihrem Anliegen, den Schuldendienst auf einen bestimmten Prozentsatz der Exporterlöse oder des Bruttosozialprodukts zu begrenzen. Ebenso scheiterten die lateinamerikanischen Hochschuldenländer, angeführt von Brasilien, Mexiko und Argentinien mit ihrem Vorsatz, den negativen Kapitaltransfer von den Schuldner– in die Gläubigerländer „zu stoppen und den Trend umzukehren“. Aufgrund der zunächst sehr harten Haltung der brasilianischen Diplomaten in dieser Frage drohte der Konferenz wenige Tage vor ihrem programmäßigen Ende das komplette Scheitern. Sie wurden schließllich zum Einlenken gezwungen, weil die Länder der Gruppe der 77 die anderen Konferenzergebnisse nicht in Frage stellen wollten. Wichtig war das für die ärmsten, insbesondere die afrikanischen Entwicklungsländer. Bei den Umschuldungsgesprächen im Pariser Club sollen ihnen „längere Rückzahlungsfristen und Moratorien“ eingeräumt werden. Bekräftigt wurde auch die Bereitschaft, ihnen, ganz oder teilweise, die öffentlichen Schulden zu erlassen. Anders als in der Verschuldungsfrage wurden im Rohstoffbereich kaum neue Akzente gesetzt. Hier begnügte man sich, nicht zuletzt aufgrund der starren Haltung der B–Gruppe, mit der Bekräftigung alter Positionen. Seit der Ankündigung der Sowjetunion, dem Gemeinsamen Rohstoff–Fonds beizutreten, hat die Hoffnung der Entwicklungsländer auf den Abschluß weiterer Abkommen mit Wirtschaftsklauseln aber wieder zugenommen. In dem Fonds sind tatsächlich auch erhebliche Finanzmittel für die Stützung von Rohstoffpreisen mittels einer Marktintervention vorgesehen. Die sowjetische Initiative war ein schwer verdaubarer Überraschungscoup, zumal sie einen Kadaver, den die USA und auch die westeuropäischen Länder frohen Herzens bereits zu Grabe getragen hatten, plötzlich wieder zu neuem Leben erweckt hat. Auf das diplomatische Meisterwerk der Sowjetunion reagierten sie deshalb auch eher hilflos, obwohl Gerüchte über einen entsprechenden Vorstoß Moskaus sich bereits in den letzten Wochen verdichtet hatten. Im Bereich der internationalen Handelspolitik ging es den Industrieländern in erster Linie darum, daß ihnen die UNCTAD freie Bahn läßt bei den angelaufenen multilateralen Verhandlungen im GATT, dem Allgemeinen Abkommen über Handel und Zölle. Denn die westlichen Länder, unterstützt von mehreren marktwirtschaftlich orientierten Ländern der Gruppe der 77, wie Südkorea, Hongkong, Taiwan, wollen die Verhandlungen über die Liberalisierung des Handels mit Gütern und Dienstleistungen in einem Rahmen vorantreiben, in dem nicht die Entwicklungsländer den Ton angeben. Erhebliche Schwierigkeiten bereitete deshalb, wie erwartet, die Ausformulierung eines Paragraphen im Schlußdokument, das die Rolle der UNCTAD bei der Uruguay–Runde zum Inhalt hat. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Industrieländer gewillt sind, die in der Schlußakte enthaltenen (moralischen) Verpflichtungen auch tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Vorsicht ist sicherlich am Platz, denn allzu oft schon in der Geschichte der UNCTAD haben sie sich nicht an die von ihnen gemachten Zugeständnisse gehalten. Ein Hoffnungsschimmer besteht insofern, als es immer mehr Industrieländern dämmert, daß sie sich mit ihrem Konfrontationskurs der Vergangenheit letztlich selbst schaden. So sind die Exporte in die Südländer schon stark zurückgegangen, und die Rückzahlung der Schulden geriet in letzter Zeit immer mehr ins Stocken. In dem Schlußtext von UNCTAD VII haben sie sich immerhin zu der „besonderen Verantwortung der industrialisierten Staaten“ für ein günstiges internationales Umfeld bekannt und die Interdependenz zwischen Nord und Süd groß herausgestellt. Der eher zufriedene Ausgang der Konferenz gibt auch der UNCTAD als entwicklungspolitischer Organisation eine neue Chance. Es bleibt allerdings die Frage, ob das UNCTA–System nicht grundlegende Reformen erfahren muß, um weiterhin wirksam zu bleibnen. Die Verhandlungen im Blocksystem tragen der Ausdifferenzierung innerhalb der verschiedenen Regionalgruppen nicht länger Rechnung. Das gilt ebenso für die Industrieländer, die untereinander immer schwerer zu Kompromissen finden, wie auch für die Gruppe der 77. Wie soll das unter einen Hut gebracht werden, wenn die lateinamerikanischen Länder in erster Linie an einer großzügigeren Schuldenregelung mit den Privatbanken interessiert sind, die afrikanischen Länder vorwiegend an höheren Rohstoffpreisen und höherer Entwicklungshilfe und die Länder Südostasiens zuallererst an einem ungehinderten Zugang zu den Märkten der westlichen Länder? Die USA, die unverhüllt die Abschaffung dieser „nutzlosen Plauderbude“ gefordert hatten, dürften zunächst in ihrer radikalen Position isoliert sein.

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