I N T E R V I E W „Dreistaatlichkeit mit Berlin–Sonderstatus“

■ Interview mit dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im hessischen Landtag, Joschka Fischer, zur Deutschlandpolitik

taz: Du hast in einem Gespräch mit dem Pflasterstrand geäußert, daß die Dreistaatlichkeit BRD, DDR und Österreich - die „Lösung der Geschichte“ gewesen sei. Warum? Fischer: Weil ich glaube, daß von dem Bismarck–Deutschland der Vergangenheit nicht umsonst zwei Weltkriege ausgegangen sind. Keine andere Nation, ob in Ost oder West, hat ein Interesse an einer Wiedervereinigung der deutschen Staaten. Die selbstbestimmte Schließung der sogenannten „Deutschen Frage“ durch das eigene Wollen der Deutschen, also die Anerkennung der drei deutschen Staaten - mit allen Konsequenzen, die das hat - wäre doch nur die Anerkennung der bestehenden Realitäten. Gegenwärtig bewegt sich die Deutschlandpolitik ja im Zwielicht zwischen Realität und Fiktion, zwischen dem Grundlagenvertrag und den Fiktionen, denen hauptsächlich noch rechte Politiker und Vertriebenenverbände nachhängen. Aber Österreich steht doch da überhaupt nicht zur Disposition. Das war auch eher eine historische Reminiszenz. Noch vor etwa 100 Jahren war die Frage „Klein– oder Großdeutschland“ eine Frage, an der sich die Geister schieden. Das ist heute selbstverständlich keine Frage mehr. Und genauso wenig wird die Frage des Verhältnisses BRD : DDR in 20 Jahren noch eine Frage sein. Für uns steht heute die innenpolitische Problematik im Vordergrund. Und das zweite ist die Menschenrechtsfrage, als zentrales außenpolitisches Problem im Verhältnis zu Osteuropa allgemein und zur DDR im besonderen. Warum spricht man mit Erich Honnecker nicht endlich darüber, was di Es geht also um einen ganz konkreten Handel: Ihr schafft Mauer und Schießbefehl ab und verpflichtet Euch, die allgemeinen Menschenrechte einzuhalten. Dafür erkennen wir Euren Staat voll an. Handel? Das klingt so abwertend. Das müßte das zentrale politische Ziel der Deutschlandpolitik werden. Bisher hast Du das Problem West–Berlin ausgeklammert. Soll die Stadt in ihrer Gesamtheit dann an die DDR fallen? Nein, denn dann würde die taz ja im Osten erscheinen müssen. (...) Gegenwärtig geht von Berlin keine Gefahr aus und es wirkt auch keine Gefahr auf Berlin ein. Im besten Sinne des Wortes herrscht dort friedliche Koexistenz, zu den miesen Bedingungen, die nun einmal durch die ideologische Konfrontation und die unmögliche Menschenrechtssituation an der Grenze geschaffen wurden. Bei zwei deutschen souveränen Staaten vermag ich nicht zu begreifen, wie da Berlin noch ein Problem sein könnte. Das läßt sich doch alles im Rahmen von Verträgen ganz einfach regeln - mit internationalen Garantien. Das werden auch und vor allem die Berliner zu entscheiden haben. West–Berlin wird dann nach wie vor als West–Berlin existieren. Eine der Voraussetzungen auf dem Weg dorthin sei die Anerkennung der Westbindung der BRD - auch der NATO–Mitgliedschaft - durch die Reformkräfte hier. Für die Wähler der Grünen mag das kein Problem sein, aber wohl doch für die Partei? Darüber wird es Streit geben. Man muß aber von einer verständlichen emotionalen Ablehnung gerade der NATO zu einer vernünftigen Einschätzung kommen. Es muß darum gehen, innenpolitisch einen Konsens zu schaffen und zu sagen: Diese Bundesrep auch kontraproduktiv für eine Politik, die real auf Abrüstung setzt. Gelingt es, mit einer Politik, die auf das freiwillige Schließen der „Deutschen Frage“ setzt, die Blockkonfrontation von deutscher Seite her überflüssig zu machen, dann wird sich die Frage von NATO und Warschauer–Pakt von selbst erledigen. Interview: Klaus–Peter Klingelschmitt