Südafrika: Polizei gegen Streikende

■ Eskalation zwischen Apartheid–Regime und Minenarbeitern / Botha will Wahlen verschieben

Berlin (taz) - Mit Großeinsätzen der Polizei versucht das Apartheid–Regime, seit Freitag früh den größten Streik in der Geschichte Südafrikas zu der schon seit Monaten erwarteten Machtprobe mit den Gewerkschaften zu eskalieren. Gleichzeitig verschob Apartheid–Chef Botha die für 1989 vorgesehenen Wahlen der weißen Minderheit um zwei Jahre - offiziell, um für eine volle Legislaturperiode seine Macht ausüben zu können. Dahinter verbirgt sich jedoch die Sorge vor dem wachsenden Einfluß rechtsradikaler Kräfte, die bei den letzten Wahlen im Mai bereits ein knappes Drittel der weißen Stimmen erhielten. Deshalb gehen Oppositionspolitiker auch davon aus, daß die Wahlen im Mai möglicherweise die letzten Wahlen überhaupt in dem Apartheid–Staat gewesen sind. Nach anfänglichen Beteuerungen, sich aus dem sechs Tage alten Arbeitskonflikt zwischen der Bergarbeitergewerkschaft NUM und der südafrikanischen Minenkammer heraushalten zu wollen, beorderte das Apartheid–Regime Freitag früh Polizeieinheiten auf das Gelände der tiefsten Goldmine der Welt, Western Deep Level, um zusammen mit Werkspolizisten eine Gruppe von 700 angeblich bewaffneten Arbeitern auseinanderzutreiben. Dabei wurden mehr als 70 Arbeiter zum Teil schwer verletzt. Fortsetzung auf Seite 6 Insgesamt verhaftete die Polizei seit Streikbeginn mehr als 200 Gewerkschaftskader. Bereits am Vortag waren Polizeieinheiten gerufen worden, um einen Sitzstreik von 300 Arbeitern in dem Goldverarbeitungswerk der größten und angeblich liberalsten Minengesellschaft „Anglo American“ aufzulösen. Die Streikenden sollen Maschinen und Werkstoffe zerstört haben. Ein Sprecher des Bergbaukonzerns kündigte außerdem die Schließung einer unrentablen Kohlemine und eines Goldschachts an, falls die Arbeiter nicht am Montag ihre Arbeit wiederaufnehmen. Es wird erwartet, daß sich andere Bergwerksgesellschaften diesem Schritt anschließen werden. Aus Solidarität mit den inzwischen über 300.000 streikenden Minenarbeitern befinden sich seit gestern auch 15.000 Postarbeiter im Ausstand. Des weiteren haben die Chemie– und die Transportgewerkschaften angekündigt, die Gold– und Kohlebergwerksarbeiter in ihrem Kampf für höhere Löhne, mehr Urlaub und sichere Arbeitsbedingungen mit einem Solidaritätsstreik zu unterstützen. Falls die Gewerkschaften ihre Drohung wahrmachen, wird die Gold– und Kohleindustrie Südafrikas, die zusammen dreiviertel der Exporterlöse des Landes erwirtschaftet, empfindlich getroffen werden. Nachdem gestern weitere zehn Minen geschlossen wurden, wird jetzt in knapp Zweidrittel aller südafrikanischen Bergwerke nicht mehr gearbeitet. Wenn sich die Chemie– und Transportarbeiter dem Streik anschließen, wird auch die Weiterverar beitung und der Transport vor allem der Kohle lahmgelegt. Der größte südafrikanische Gewerkschaftsdachverband COSATU hatte bereits zu Beginn des Arbeitskampfes Solidaritätsstreiks in Aussicht gestellt, falls sich das Apartheid–Regime in den Konflikt einmische. Regime–Vertreter hatten ihrerseits COSATU vor einem solchen Schritt gewarnt und schärfere Anti–Gewerkschaftsgesetze angekündigt. Spätestens seit dem Generalstreik am Wahltag der Weißen Anfang Mai fürchten Gewerkschafter, daß das Apartheid–Regime sich darauf vorbereitet, die Gewerkschaften zu zerschlagen. Nachdem auch Vertreter legaler Oppositionsgruppen wie der UDF seit der Verhängung des Ausnahmezustandes vor mehr als einem Jahr in den Untergrund gedrängt wurden, konzentriert sich die Hoffung der Opposition auf die Gewerkschaften. Die Apartheid– Gesetze verbieten diesen zwar politische Betätigung, doch ist die Grenze zwischen Arbeitskämpfen und politischem Engagement zwangsläufig verschwommen. mf