: K O M M E N T A R Machtprobe
■ Zum Bergarbeiterstreik in Südafrika
Südafrikas Gold– und Kohleproduktion ist gelähmt. Die Zukunft des Apartheid–Staates, dessen überlebenswichtige Exporterlöse zu Dreiviertel aus dem Minensektor stammen, scheint plötzlich bedroht, weil Hunderttausende von Minenarbeitern in Südafrika seit mehr als einer Woche für höhere Löhne, mehr Urlaub und bessere Arbeitsbedingungen streiken. Die Minenkonzerne geben sich hart. Trotz außergewöhnlich hoher Gewinne in den letzten Jahren mit Zuwachsraten um 70 Prozent wollen sie auf die Forderung der Bergarbeitergewerkschaft NUM nach einer inflationsbereinigt rund 10prozentigen Lohnerhöhung nicht eingehen. Der mächtige Gewerkschaftsdachverband COSATU und allen voran dessen größte Mitgliedsgewerkschaft NUM sind im letzten Jahr zu einer Gefahr für das Apartheid–Regime geworden. Auf sie konzentrieren sich die Hoffnungen des Widerstands, seit das Apartheid–Regime mit dem vor mehr als einem Jahr verhängten Ausnahmezustand auch legale Anti–Apartheid–Organisationen wie den Dachverband oppositioneller Gruppen UDF in den Untergrund trieb. Die Politisierung der Gewerkschaften ist dem Apartheid–Regime ein Dorn im Auge. Kein Wunder: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß die Gewerkschafter, einmal ihrer Macht bewußt, zum Sturm auf den Quell südafrikanischen Reichtums ansetzen und das Regime stürzen. Um das zu verhindern, versucht die weiße Regierung in Zusammenarbeit mit dem weißen Management und den weißen Vorarbeitern der Minen, die Macht der Gewerkschaften zu brechen. Der alljährliche Tarifkonflikt scheint so von beiden Seiten zur Machtprobe hochgeputscht zu werden. Falls der Gewerkschaftsdachverband COSATU dem auf ihm lastenden Druck der Opposition nachgibt und den Streik der NUM zu einem allgemeinen Kampf gegen das Apartheid–System ausweitet, hat das Regime jedoch leichtes Spiel. Da politische Streiks verboten sind, wäre das der ideale Anlaß, die schon bereitstehenden Polizeiverbände das Problem lösen zu lassen. Eine ausweglose Situation für die Gewerkschaften? Michael Fischer
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