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Alle ihre Hoffnungen zunichte gemacht...

■ Bei einem Angriff der „Kurdischen Arbeiterpartei“ PKK auf ein Dorf im Südosten der Türkei starben am 18. August 25 Dorfbewohner / Die vom türkischen Staat bewaffneten Dorfbeschützer hatten keine Chance gegen Handgranaten und Maschinenpistolen / Wir übernehmen einen Korrespondentenbericht der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet

Drei Tage war es her, seit das Dorf Strom erhalten hatte. Nun würden sie in der Hitze die Tür des Schranks in ihren Häusern öffnen und kaltes Wasser trinken, vielleicht würden sie sogar fernsehen können. Das Gebäude für die Grundschule, dessen Bau im vergangenen Jahr begonnen hatte, war fast fertig. Selbst war er nicht in die Schule gegangen, und auch acht seiner Kinder hatte er nicht einschulen können. Denn um zur nächstgelegenen Schule zu gelangen, mußte man allein eine Stunde zu Fuß gehen. Aber nun wurde eine Schule für das Dorf gebaut. Fünf Kinder hatte er, sie waren ins Schulalter gekommen. Er war fest entschlossen, all seine Kinder in die Schule zu schicken. In Kilickaya–Milan gab es etwa hundert Häuser. Wegen Landlosigkeit und Streitereien mit anderen Stämmen wurden jedoch nur noch fünfzehn bewohnt. Als erstes kauften die Dorfbewohner Eisschränke, einer nach dem anderen kaufte einen Eisschrank. Auch der Dorfvorsteher von Kilickaya–Milan, Resit Bestas, verkaufte seinen Ochsen, zu 250.000 Lira. Damit kaufte er den sechsten Eisschrank des Dorfes. Schließlich konnte ein großer Dorfvorsteher nicht ohne Eisschrank sein... Der achtzigjährige Besir Narin sah zum ersten Mal in diesem Dorf, in dem er Jahrzehnte gelebt hatte, eine Glühbirne brennen und einen Eisschrank funktionieren. Sein Sohn Sükrü war Dorfbeschützer geworden. Monatlich kamen über 50.000 Lira ins Haus. Auch Sükrüs Ansehen war gestiegen. Es sah ganz so aus, als ob es schöner wurde, hier zu leben. Eines Nachts klopfte es an die Tür des Dorfvorstehers Resit Bestas und des achtzigjährigen Besir Narin. Sie waren denunziert worden, der PKK Brot, ja sogar Medikamente gegeben zu haben. Sie sollten zur Gendarmeriestation gehen. Von dort würden sie zum Bataillon, vielleicht sogar zur Brigade gebracht werden. Nun waren Besir, der, statt der PKK zu helfen, einen Dorfbeschützer zum Sohn hatte und der Dorfvorsteher Resit Bestas erst vergangene Woche festgenommen worden. Sie waren sogar verprügelt worden. Würde ihnen dasselbe nun erneut widerfahren? Daß der achtzigjährige Besir Narin und der Dorfvorsteher Resit Bestas eine Woche nach diesem Vorfall erneut festgenommen wurden, hat ihnen das Leben gerettet, aber wenn sie am Abend des Überfalls auch nicht getötet wurden, so wurden doch ihre Hoffnungen zunichte gemacht... Als die Dorfbewohner Eisschränke gekauft hatten, weil Strom ins Dorf gekommen war, hatten die PKK–Kämpfer sie gewarnt: „Bis jetzt habt ihr Regenwasser getrunken. Werdet ihr nun Wasser aus dem Kühlschrank trinken? Wie könnt ihr Wasser aus dem Kühlschrank trinken, während wir nur Wasser voller Frösche haben?“ Als sie ein Jahr nach dem ersten Angriff ins Dorf kamen, fanden die PKKler fast alle Männer in der Gegend von Milan bewaffnet vor. Das hatten sie ohnehin schon vorher gewußt. Den Dorfbewohnern zufolge sprachen die PKKler wie die Leute aus der Gegend um Mardin und Diyarbakir. Keiner stammte aus der Umgebung des Dorfes. Der achtzigjährige Besir Narin und der Dorfvorsteher Resit Bestas warteten auf ihre Freilassung. Schließlich kam ein Offizier zu ihnen. Ihr Dorf war angegriffen worden. Sie würden alle zusammen dorthin fahren. Ihre Hoffnung fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Während der achtzigjährige Besir Narin unter dem Vorwurf, der PKK geholfen zu haben, bei der Gendarmerie festsaß, war sein Sohn, der Dorf beschützer Sükrü, bei Gefechten mit PKK–Kämpfern umgekommen. Narins gesamte Familie war tot. Das Haus des achtzigjährigen Besir war angezündet und zerstört worden. Während des Angriffs waren drei der sechs Kühlschränke des Dorfes verbrannt worden. Einer davon war der Eisschrank des Resit Bestas, dessen erste Rate er noch nicht einmal bezahlt hatte. Vielleicht hatte er noch nicht einmal ein Glas Wasser aus dem Eisschrank getrunken. Die 250.000 Lira für den Ochsen, die er im Haus versteckt hatte, waren zusammen mit dem Haus zu Asche geworden. Der Dorfvorsteher Resit war unter der Anschuldigung, der PKK geholfen, ihr Medikamente gegeben zu haben, festgenommen worden. Während der Stunden, die er hinter Gittern verbrachte, waren sein Haus angezündet und zerstört und seine neun Familienangehörigen von der PKK getötet worden. Von diesen neun Personen waren acht Resits Kinder. Er deutete auf den noch feuchten Beton des Grundschulgebäudes: „Ah, fünf haben nun die Grundschule beendet...“ Celal Baslangic

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