: Abrüstung gegenüber der RAF !
■ Antje Vollmer fordert für die Grünen eine Aussöhnung des Staates mit ehemaligen RAF–Kämpfern / Der Fall von Klaus Jünschke als Prüfstein für das Interesse an einem „friedlichen Lösungskonzept“
Aus Bonn Ursel Sieber
Die grüne Abgeordnete Antje Vollmer hat gestern den bundesdeutschen Staat zu einer Aussöhnung mit der RAF aufgefordert. Der Umgang mit einem Gefangenen wie Klaus Jünschke sei ein Maßstab dafür, ob von Seiten des Staates überhaupt ein politisches Interesse an einem „friedlichen Lösungskonzept“ der Auseinandersetzung zwischen RAF und Staat bestehe. Jünschke ist einer der drei Überlebenden der ersten RAF–Generation und seit über 15 Jahren inhaftiert. In der Vergangenheit hatte er sich mehrmals kritisch mit seiner eigenen RAF– Vergangenheit auseinandergesetzt, ohne als Kronzeuge zu den Behörden überzulaufen. Antje Vollmer betonte, sie bekomme zunehmend Zweifel, daß eine friedliche Lösung von Seiten des Staates „politisch gewünscht“ werde. Die Abgeordnete bezog sich dabei insbesondere auf das Landgericht Koblenz: Dort hat die Strafvollstreckungskammer die vorzeitige Entlassung des zu lebenslanger Haft verurteilten Gefangenen abgelehnt, obgleich dies rechtlich möglich wäre und normalerweise auch so gehandhabt wird: Bei guter Führung werden lebenslange Haftstrafen nach der vorgeschriebenen Mindesthaftdauer von 15 Jahren immer auf Bewährung ausgesetzt. Auch für Jünschke, dessen 15jährige Haftzeit am 12. August abgelaufen ist, lägen „nur exzellente Prognosen“ vor, betonte gestern sein Anwalt, Johannes Schwenn. Daß die Strafvollstreckungskammer Koblenz dennoch anders entschieden hat, bezeichnete Antje Vollmer als falsches politisches Signal: „Wer die RAF weiter will, der muß solche Urteile fällen.“ Antje Vollmer, die Klaus Jünschke in der Haft oft besucht hat, betonte gleichzeitig, Jünschke habe sich immer gegen „öffentliche Unterwerfungsrituale“ gesträubt. Für ihn habe immer das Problem bestanden, daß nicht nur er allein aus den Bedingungen der Sonder– und Isolationshaft herauskommen wollte. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Klaus Jünschke und sein Anwalt haben gegen die Entscheidung des Landgerichts Koblenz Widerspruch eingelegt. Die Sache ist nun beim Oberlandesgericht Koblenz anhängig; mit einer Entscheidung ist nach den Worten von Anwalt Schwenn „demnächst“ zu rechnen. Sollte auch das Oberlandesgericht die vorzeitige Entlassung ablehnen, könnte Klaus Jünschke erst in einem Jahr und drei Monaten wieder um das Aussetzen der lebenslangen Strafe ersuchen. Ein solches Datum wäre jedoch „kein politisches Signal“ mehr, sondern besitze ein „Moment von Willkür und Hängenlassen“, betonte Antje Vollmer. Klaus Jünschke ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden, obwohl das Gericht niemals nachweisen konnte, ob er bei dem der RAF zur Last gelegten Banküberfall in Kaiserslautern beteiligt war und ob er dabei einen der beiden tödlichen Schüsse auf einen Polizeibeamten abgegeben hatte. Das Gericht stützte sein Urteil nur auf die Aussagen von zwei Zeugen, die ihn einige Tage zuvor bei der Vorbereitung des Überfalls gesehen haben wollen.
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