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Heißer Wahlkampf im kühlen Norden

■ Meinungsforscher prognostizieren bei den Wahlen am 13. September in Schleswig–Holstein ein Patt

Ob die entschiedene Stellungnahme des Kanzlers im Streit um die Raketenfrage das Blatt in Schleswig–Holstein zu Gunsten der CDU wendet? Heute jedenfalls greift Kohl selbst in den Wahlkampf ein, um den drohenden Verlust der absoluten Mehrheit zu verhindern. Für die CDU wird entscheidend, wieviel enttäuschte Wähler zu den konservativen Unabhängigen abdriften, und ob die FDP die 5–Prozent– Hürde schafft. SPD und Grüne haben sich soweit zusammengerauft, daß eine Tolerierung möglich ist.

Schleswig–Holsteins Grüne geben sich siegesgewiß, daß es dieses Mal klappt. Zum dritten Mal setzen sie am 13. September zum Sprung in das Landesparlament an der Kieler Förde an. Die Meinungsforschungsinstitute sehen das etwas skeptischer - für sie werden die Grünen nur ganz knapp die Fünf–Prozent–Hürde überwinden. Dabei präsentierte sich die Grüne Partei in den letzten Wochen geschlossen wie nie zuvor. Vergessen ist der erbitterte Streit, ob man denn nun reine Opposition oder reine Koalitionspartei sein will. Vergessen auch etliche organisatorische Vorwahlkampfpannen und der spektakuläre Parteiaustritt des Geesthachter Bundestagskandidaten Thomas Wüppesahl - neben Angelika Beer die schleswig–holsteinische Grünen– Repräsentanz im Bonner Bundeshaus. Der uralte Grünen–Streit „Wie halte ichs mit der SPD“ wurde ge radezu salomonisch entschieden. Wenn die SPD zwei Punkte garantiert - erste Schritte zu einem effektiven Austritt aus der Kernenergie und Stopp der Genehmigungsfahrten für Schönberg - wollen die Grünen einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten, Björn Engholm, mitwählen, sofern es denn am 13. September numerisch langt. In einem zweiten Schritt soll dann das Grünen–Programm mit der SPD weiterverhandelt werden, „ohne es zum Knackpunkt zu machen“, wie Landesgeschäftsführer Heino Schomaker eindeutig feststellte. Mochten da auch manche Streithähne meinen, das alles wäre nur ein müder Aufguß der in Hamburg und Hessen gescheiterten Tolerierungspolitik - die Nord–Grünen verkündeten selbstbewußt, sie hätten den dritten, wahren Weg zwischen Koalos und Fundis gefunden. „Prüfsteine“ nennt die Partei daher ihr Königsmacherangebot an Engholm. Geschlossen bis zur Langeweile präsentierten sich die ökologischen Nordlichter denn auch am 8. und 9. August auf ihrer letzten Landesdelegiertenkonferenz vor der Wahl. Die öffentliche Meinung - auf grüner Bundestagsebene und vor allem vom Nachbarland Hamburg heftige interne Auseinandersetzungen gewohnt - reagierte verblüfft. Zum ersten Mal nach dem Hamburger Wahldebakel der GAL vom 17. Mai und den bundesinternen Streitereien hatten die Grünen einen neutrale bis wohlwollende Presse. Endlich einmal entsprachen sie dem Bild, daß sich die durchgängig konservative Presse des Landes zwi schen Nord– und Ostsee von einer „ordentlichen Partei“ vor der Wahl machte. Doch die Störfeuer kamen diesmal nicht aus den eigenen Reihen sondern vom möglichen Partner SPD. Der hatte bisher eine Doppelstrategie gefahren. Ministerpräsidentenkandidat Björn Engholm gab sich, ganz zukünftiger Landesvater, Grünen–distanziert. Der Landesvorsitzende und designierte Sozialminister Günter Janssen, dem die AKWs unterstehen würden, gerierte sich da schon freundlicher. Doch in der heißen Phase des Wahlkampfes werden die Töne schärfer. Kaum war in Hamburg die SPD/FDP–Koalition unter Dach und Fach, fragte Engholm die im Nordland eindeutig auf die CDU festgelegte FDP, warum sie denn eigentlich nicht mit ihm wolle. In Hamburg würde das doch auch so schön laufen. Die Grünen reagierten verärgert und orakelten von einer Belastung des Bündnisses, bevor das überhaupt angefangen habe. Überhaupt Hamburg. Die politische Situation der Hansestadt - Hamburger Verhältnisse und nun SPD/FDP–Koalition - hängt wie ein Damoklesschwert über beiden Parteien. Die Nord–SPD mit ihrem eindeutigen Reformruf befürchtet nach Bekanntwerden der Koalitionsvereinbarungen mit ihren tiefen Einschnitten in die sozialdemokratischen Seelengärten eine nachhaltige Verunsicherung ihrer Klientel. Und auch die Nord– Grünen haben mit den „lieben Freundinnen und Freunden“ in der Elbmetropole so ihre Last. Die permanenten inner–GALischen Streitereien zwischen Fundis und Realos und zuletzt das katastrophale Wahlergebnis vom 17. Mai, in dem die GAL von 10,1 auf sieben Prozent rutschte, haben die Schleswig–Holsteiner nicht gerade glücklich gestimmt. Eine sich abzeichnende neue Krise der GAL, in der schon jetzt beide Flügel mit giftiger Vehemenz aufeinander einprügeln, färbt - so befürchten viele Nordlichter - auch auf das Ansehen der eigenen Partei ab. Entscheidend für SPD und Grüne ist nämlich der sogenannte Speckgürtel rund um Hamburg. Im Hamburger Einzugsbereich leben in schleswig–holsteinischen Gemeinden viele rot–grüne WählerInnen. Hier entscheidet die Stimmenverteilung zwischen den beiden Reformkonkurrenten, und die Hamburger Querelen zwischen realpolitischem und fundamentalistischem Flügel, übertragen auf die schleswig–holsteinische Wahl, könnten fatale Auswirkungen haben. Stimmenverluste, wie sie die GAL einstecken mußte, würden für die Schleswig– Holsteiner Grünen bedeuten, daß sie zum dritten Mal an der Fünf– Prozent–Hürde scheiterten. Thomas Jansen

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