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Kanu–WM - kein Medienereignis

■ Der Kanu–Sport an seiner historischen Wende / Die Bundesdeutschen paddelten im Abseits

Aus Duisburg Wolfgang Ehmer

Die 21.Kanu–Weltmeisterschaft, die in Duisburg vom 18.–23. August stattfand, war vielleicht die letzte dieser Art. Zwar wächst die Zahl der Kanusportler, und das Publikumsinteresse ist überraschend groß. Allein im vergangenen Jahr entstanden neun neue nationale Verbände, so daß jetzt 52 Länder in der internationalen Kanu–Föderation (ICF) organisiert sind. Da staunte selbst der italienische ICF–Präsident Sergio Orsi: „42.000 zahlende Zuschauer in Duisburg - das sind mehr als jemals zu einer Kanu–Weltmeisterschaft gekommen sind.“ Trotzdem fand das deutsche Fernsehen die Veranstaltung nicht medienwirksam genug und sagte kurzerhand die versprochene Sendezeit ab. Dem will der ICF–Präsident in Zukunft dadurch begegnen, daß er 150–Meter–Sprintstrecken einführen will, um den Zuschauern höhere Spannung und mehr Abwechslung in die Glotze zu bringen. Spätestens dann wird auch der Amateur–Status überholt sein, schon im nächsten Jahr ist bei den Weltmeisterschaften die Trikot– Werbung zugelassen. Dennoch gab sich Orsi traditionsbewußt: „Seit 25 Jahren ist an den Booten nichts verändert worden. Sie sind preiswert, so daß sich auch die armen Länder diesen Sport leisten können.“ Der Amerikaner Greg Barton allerdings gewann den Einer–Kajak über 1.000 und 10.000 Meter mit etlichen Längen Vorsprung in einem von einem Computer entworfenen Bootstyp und benutzte dabei ein ebenso aufwendiges, neues Paddelmodell, das „wing“– Paddel. Zu den Siegen des Amerikaners, die auch für das Publikum die teuren Innovationsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Kanusports deutlich machten, konnte Orsi bei der abschließenden Pressekonferenz nur etwas hilflos versichern: „Wir werden diese Entwicklung ganz genau beobachten.“ Zu den ärmeren Kanu–Nationen gehört auch Argentinien. Atilio Vasquez der als Einzelkämpfer diesen südamerikanischen Staat repräsentierte, hatte allerhand zu tun: Nach der Wahrnehmung seiner Funktionen als Mannschafts leiter, Betreuer und Verbindungsmann zum internationalen Organisationskomitee gewann er am Donnerstag den Hoffnungslauf über 1.000 m und sicherte sich damit die Teilnahme am Semi–Finale. „Wenn die 500 m und die 10.000 m auch so gut klappen, habe ich mein Ziel erreicht!“ strahlte er. Er weiß, daß er nie „ganz vorne“ mitpaddeln wird, trotzdem startet er bei den Olympischen Spielen, den Panamerikanischen Meisterschaften und den Weltmeisterschaften. Zur Vorbereitung auf die Kanu–WM in Duisburg hat Vasquez einige Monate mit der amerikanischen Nationalmannschaft trainiert. Der argentinische Kanu–Landesverband hat nämlich weder die Mittel noch die erfahrenen Trainer, die den Kanusport auf hohem internationalen Niveau fördern könnten. Leider mußte Atilio Vasquez nach einem technischen Defekt an seinem geliehenen Boot im 500–m–Rennen aufgeben und wurde bei den 10.000 Metern nur 22. in einem Feld von 27 Kanuten. Trotz dieser Niederlagen blieb der Argentinier freundlich und „muy sympatico“. So unbeschwert ging es in der deutschen Nationalmannschaft nicht zu. Im Vorfeld war viel über Taktik nachgedacht worden, die SportlerInnen wurden abgeschirmt, und die „Geheimwaffe“ des Deutschen Kanu–Verbandes, Josefa Idem, trainierte gar an einem geheimgehaltenen Ort. Doch selbst diese Maßnahme brachte der Polizistin aus Hamm kein Glück, sie konnte sich in den Endläufen nicht durchsetzen. „Lieber mal einen Vorlauf verlieren, als die Kräfte zu früh verausgaben“, hatte der Leiter der deutschen Mannschaft, Günther Kuske, bei der ersten Panne gewarnt, als die Brüder Hartmut und Wolfram Faust im Zweier–Kanadier über 1.000 Meter unerwartet eine Zusatzrunde, den Hoffnungslauf, einlegen mußten. Dann verloren sie auch noch den Endlauf. Genau wie sie hatten of fenbar auch alle anderen deutschen Endlaufteilnehmer die Taktik ihres Trainers nicht kapiert. Sie legten furios los, führten oft in der Mitte der Distanz, um am Ende, von den Kräften verlassen, von den meisten Konkurrenten überholt zu werden. Ein Trost blieb der deutschen Mannschaft: Sie gewann die Bronzemedaille im Vierer–Kajak über 10.000 m und über 500 m. Die großen Gewinner waren die SportlerInnen aus der DDR. Sie holten fünf Goldmedaillen, eine silberne und zwei bronzene. Damit verdrängten sie die Ungarn, die noch im vergangenen Jahr aus Montreal sieben Goldmedaillen nach Hause bringen konnten.

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