: Klarsfeld legt Dokumente vor
■ Zweiter Tag im NS–Prozeß gegen Graf von Korff in Bonn / Neue Dokumente der Nebenkläger verlesen
Aus Bonn Leo A. Müller
Im Bonner NS–Prozeß gegen den Ex–SS–Hauptsturmführer und späteren Ministerialrat im Bundeswirtschaftsministerium Graf Modest von Korff (78) wurden am gestrigen 2. Verhandlungstag belastende Dokumente verlesen, die der französische Vertreter der sieben Nebenkläger, Serge Klarsfeld, zur Neueröffnung des Verfahrens dem Gericht vorlegte. Die Anklage gegen Korff lautet auf Beihilfe zum Mord an 220 Juden. Er wird beschuldigt, als Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes des Departments Chalons–sur–Marne in der Nähe von Paris in der Zeit von Juni 1942 bis Mai 1943 für vier Transporte französischer und staatenloser Juden über Drancy ins Vernichtungslager Auschwitz verantwortlich gewesen zu sein. Alle sieben von Klarsfeld als Beweismittel eingebrachten Dokumente sind von Korff unterzeichnet. Fortsetzung auf Seite 2 In vier Dokumenten wird Korffs Beteiligung via Schreibtisch an einer Razzia vom 20. Juli 1942 belegt, ein weiteres Schreiben macht seine Verantwortung für die Überführung von Juden aus den Gefängnissen im Gebiet von Cahlons in das Lager Drancy deutlich. Zwei weitere Papiere behandeln Razzien vom 9. und 10. Oktober 1942. Die Schwurgerichtskammer am Bonner Landgericht hat die Dokumente aus dem „Archives de la Marne“ in der gestrigen Sitzung neben weiteren Dokumenten über das Schicksal der französischen Juden verlesen. Alfred Leonhard Graf von Korff hat betreffend der „Zusammenziehung sämtlicher arbeitsfähiger Juden“ in seinem Verantwortungsbereich detaillierte Anweisungen gegeben. In einem Schreiben vom 2. Juli 1942 an die Präfekten von Chalons sur Marne, Troyes und Chaumont ordnete er an, „sämtliche arbeitsfähigen Juden beiderlei Geschlechts im Alter von 16–45 Jahren bis zum 20.7.1942 aus Ihrem Department in ein Lager in Chalons s/M zusammenzuziehen, das von dem Regionalpräfekten errichtet wird.“ Listen in vierfacher Ausfertigung sollten angefertigt werden, „nur ein Gepäckstück“ war den Deportierten erlaubt. Der Kofferinhalt war ebenfalls vorgeschrieben, drei Tage Marschverpflegung sollten reichen. Am gleichen Tag schickte Korff dem Regionalpräfekten von Chalons sur Marne die fünfzeilige Anweisung „ein Lager zur Aufnahme der Juden der Region herzurichten“. In anderen Schreiben wurde die exakte Erfassung der in der Region zusammengefaßten Juden verlangt: „Ich bitte um umgehende Mitteilung, wieviel Juden (...) aus dem dortigen Bereich zum Abtransport bereitstehen.“ Im Fernschreiben vom 21.7.1942 wird von Korff Vollzug nach Paris gemeldet: „Die Zahl der im Bereich des SIPO–SD–Kommandos Chalons s/M befehlsmäßig festgenommenen Juden beträgt 43.“ Die „Judenfestnahmeliste“ mit Namen, Geburtsdaten und Wohnort von 43 Opfern schickte Korff am 22. Juli dem Regionalpräfekten. Sie sollten „umgehend in das Zusammenziehungslager Drancy überstellt“ werden. „Ich erwarte, daß die Überstellung spätestens bis Freitag, den 24. Juli 1942, 18 Uhr durchgeführt ist,“ befehligte der Graf. Am folgenden Tag, dem 25. Juli, konnte er dann den Erfolg dieser „Abbeförderung“ an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Paris melden: „Die Gesamtaktion verlief vollkommen reibungslos.“ Der Prozeß wird am Montag mit der Erklärung des Verteidigers fortgesetzt.
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