: Jetzt auch bei Barschel: Blackout
■ Beschuldigter CDU–Politiker bezeichnet Spiegel–Chefredakteur als Lügner
Bonn/Hamburg (dpa/taz) - Jetzt kann sich auch der Kieler Noch–Ministerpräsident Barschel nicht genau erinnern. Der CDU–Politiker, der durch den Spiegel beschuldigt wird, die Bespitzelung des schleswig–holsteinischen SPD–Chefs Engholm in Auftrag gegeben zu haben, berichtete über seinen Teil–Black– out zusammen mit Kanzler Kohl und seinem Vorgänger in Kiel, Finanzminister Stoltenberg, auf einer überraschend in Bonn einberufenen Pressekonferenz. Er könne sich nicht erinnern, so Barschel, je mit den privaten Finanzen Engholms befaßt gewesen zu sein. Es sei aber „absolut unwahrscheinlich“. Zu den Vorwürfen wolle er angesichts des laufenden Verfahrens nichts sagen. Barschel hatte noch am Sonntag nach Bekanntwerden des Artikels Klage eingereicht. Fortsetzung auf Seite 2 Auf der CDU–Pressekonferenz bestritt Barschel gestern pauschal alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe: „Das einzige, was dabei stimmt, ist die Schreibweise meines Namens.“ Die kurzfristig anberaumte Pressekonferenz in der CDU–Zentrale diente in dieser, nach Landtagswahlen nicht üblichen Form offensichtlich dazu, Bonner Unterstützung für den angeschlagenen Schleswig–Holsteiner zu demonstrieren. Kohl sagte: „Ich bin mit Uwe Barschel einig, daß für die politische Kultur eine schnelle Aufklärung unerläßlich ist. Derartige Kampagnen dürfen nicht zum Stilmittel deutscher Politik werden.“ Auf den Kronzeugen Pfeiffer angesprochen, sagte Barschel, er wisse nicht, wer Pfeiffer bei der Einstellung ausgesucht habe: „Der Ministerpräsident kümmert sich nicht um jeden einzelnen Referenten.“ Barschel blieb dabei, daß er von der jüngsten Spiegel– Veröffentlichung erst am Samstagnachmittag durch eine NDR– Meldung erfahren habe. Zu einer Äußerung des Spiegel–Chefs Böhme, derzufolge Barschel bereits im Laufe der Woche Bescheid gewußt hätte, meinte Barschel: „Böhme hat gelogen.“ Spiegel–Chefredakteur Böhme sagte dagegen gestern erneut, das Nachrichtenmagazin habe Barschel frühzeitig um eine Stellungnahme gebeten. Das Blatt habe zwei Wochen lang versucht, mit Barschel Kontakt aufzunehmen. Böhme: „Wenn uns Herr Barschel Ende voriger Woche nicht empfängt und die Vorwürfe nicht entgegennimmt und sein Sprecher sagt: Dann sucht man schön, dann ist ein Zeitpunkt erreicht, wo weitere Vorhaltungen nicht möglich sind.“ Die Staatsanwaltschaft in Lübeck sucht seit Montag nach dem Barschel–Mitarbeiter Reiner Pfeiffer (48). Wie der Lübecker Oberstaatsanwalt Joachim Böttcher auf Anfrage mitteilte, ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Pfeiffer wegen falscher Verdächtigung. Außerdem liege ein Anfangsverdacht wegen Verleumdung vor. Pfeiffer, Referent im Pressereferat der schleswig–holsteinischen Landesregierung, hatte zunächst im Spiegel die schweren Vorwürfe gegen den schleswig– holsteinischen Ministerpräsidenten erhoben. Er hatte sie am Sonntag in einem Fernseh–Interview und einem Telefongespräch mit dpa wiederholt und ergänzt. Unter anderem soll Barschel Pfeiffer beauftragt haben, den schleswig– holsteinischen Oppositionführer Björn Engholm (SPD) zu bespitzeln und der Steuerhinterziehung zu verdächtigen. Für die Staatsanwaltschaft in Lübeck ist Pfeiffer „unauffindbar“. Die Staatsanwaltschaft „versucht bisher vergeblich, Kontakt zu Herrn Pfeiffer zu bekommen“, sagte Oberstaatsanwalt Böttcher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen